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Wienerherz - Kriminalroman

Wienerherz - Kriminalroman

Titel: Wienerherz - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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sagen, erinnere ich mich natürlich, dass er einen Sohn hat. Drei sogar, glaube ich. Mit dem Alten hatte ich früher zu tun, während meiner Zeit bei der Gewerkschaft. Da waren Sie noch ein Kind. Er war ein in der Wolle gefärbter Kapitalist, wenn man diesen Ausdruck heute noch benutzt. Wobei ich das nicht nur im Sinn des damals noch mit Begeisterung geführten Klassenkampfes meine. Rückblickend hatte er durchaus auch seine positiven Seiten. Er übernahm bis zu einem gewissen Grad Verantwortung für seine Firmen und Mitarbeiter, ein klassischer Unternehmer der alten Schule. Heute würde man sich solche ›Kapitalisten‹ geradezu zurückwünschen.« Er lachte bitter. »Ich kann kaum glauben, dass ich so etwas sage. Aber Sie sind nicht hier, um Gesellschaftspolitik zu diskutieren.«
    Was Freund fast lieber getan hätte.
    »Warum sollten wir Dorins Sohn kennen?«
    »Ihr Sohn verkehrte mit ihm.«
    »Emil? Davon hat er nie etwas gesagt. Was nichts heißt, er hat uns nicht alle seine Freunde vorgestellt oder von ihnen erzählt.«
    Freund wollte die beiden Eltern nicht ungebührlich belasten. Natürlich hätte ihn gereizt, ihre Reaktion zu sehen, wenn er ihnen ein Bild von Florian Dorin zeigte, auf dem er aussah wie ihr Sohn. Aber was hätte es gebracht?
    Als er sich verabschiedete, wusste er, dass Hildegard Komeska als Erstes, nachdem er die Wohnung verlassen hatte, ihren Sohn anrufen würde. Ohne ihn zu erreichen. Danach würde sie es bei ihren Töchtern versuchen. Und dann eine schlaflose Nacht verbringen. Sie tat ihm leid. Sie wollte seine Hand nicht loslassen.
    »Wenn Sie von ihm hören, sagen Sie uns Bescheid?«
    »Selbstverständlich.«
    Freund begann einen Rundruf. Zuerst waren Komeskas Schwestern dran. Dann jener Freund Willi, von dem Rudolf Komeska gesprochen hatte. Die Brüder Dorin. Schließlich noch Gundi Bielert und Solveig Harnusson. Mit allen vereinbarte er Termine. Eine Schwester hatte gleich Zeit, Tann-Dorin sagte, Freund solle einfach vorbeikommen, er sei dieser Tage durchgehend im Atelier. Die anderen drei würde er am nächsten Tag treffen.
    Gemeindebauten waren kleine Dörfer in der Stadt, wusste Lukas Spazier. In jedem Dorf lebten Tratschtanten oder ein Flüsteronkel. Spazier wollte die Exemplare aus Komeskas kleinem Dorf fragen. Er musste sie nicht lange suchen. Offensichtlich war ihr Besuch vom Vortag nicht unbemerkt geblieben. Er hatte das Haus kaum betreten, als gleich die erste Tür geöffnet wurde und eine ältere Dame erschien.
    »Grüß Gott«, sagte sie höflich, als grüße sie einen unbekannten Fremden und wolle weiter ihres Weges gehen. So zuvorkommend war in einem Wiener Wohnbau nur der Hausdrachen, wenn ihn die Neugier zwickte. Für diese Situation existierte ein Ritual, das er in seinen Jahren als Ermittler gelernt hatte. Das gespielte Desinteresse der Dame musste er mit ebensolchem beantworten. Er setzte dazu an, die Stiegen hochzusteigen.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, hörte er sie in seinem Rücken.
    Spazier drehte sich um, ohne jedoch schon wieder auf sie zuzugehen.
    »Ich suche den Herrn Komeska aus dem dritten Stock. Kennen Sie den?«
    Die Frau winkte ab. »Nur flüchtig.«
    »Ah so.«
    Wieder umdrehen und so tun, als wolle man weiter hinauf.
    Die Stimme hinter ihm: »Wissen Sie, ich glaube, der ist verreist.«
    Umdrehen. »Wie kommen Sie darauf?«
    Nun trat sie aus der Tür auf den Flur.
    »Ich vermute das natürlich nur, man bekommt einiges mit, wenn man da gleich beim Eingang wohnt.«
    Spazier kam ihr eine Treppe entgegen.
    »Der Komeska ist ja ein Braver«, redete sie weiter, »nicht laut oder frech, ich meine, ich wohne schon seit dreißig Jahren in dem Haus, ich habe schon ganz andere gesehen, das können Sie mir glauben, es wird ja immer schlimmer, heute brauchst ja ein Kopftuch, um hier reingelassen zu werden, ich will ja nichts sagen, aber …«
    »Der Herr Komeska …«
    »Der Komeska, genau …«
    »… ist verreist.«
    »Glaube ich halt. Vor ein paar Tagen ist er die ganze Nacht auf und ab mit dem Lift und hat sein Gepäck geschleppt. Ich habe nicht schlafen können, wissen S’ eh, in meinem Alter, Sie sind ja noch jung …«
    »… und wann war das genau?«
    Das Erstaunliche war, dass die meisten dieser Haustratschen dem Klischeebild so verblüffend entsprachen, als gäbe es irgendwo eine geheime Schule dafür. Diese hier war keine Ausnahme. Gut für Spazier, vielleicht wusste sie etwas.
    »Was? Ah so, der Komeska, warten S’, lassen Sie mich nachdenken, in

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