Wienerherz - Kriminalroman
paar Millionen vergessen, die er Dorin vor ein paar Jahren berechnet hat.«
»Wenn das so lange her ist, wird es wohl nichts mit dem aktuellen Fall zu tun haben.«
»Wer weiß das schon? Die neuesten Entwicklungen kennen Sie aber noch nicht, oder? Haben Sie bereits von Florian Dorins Doppelgänger gehört?«
»Nein!«
Freund erzählte und zeigte Bilder.
»Das ist ja nicht zu fassen. Und der Mann ist jetzt verschwunden?«
»Vom Erdboden verschluckt.«
»Inwieweit ist er für den Fall denn relevant? Bei Dorin gehen wir ja mittlerweile von einem Suizid aus, nicht wahr? Und mit dem Angriff auf Dorins Mitarbeiterin wird er wohl nichts zu tun haben, dieser K…«
»Komeska.«
Warum eigentlich nicht? Komisch, dass Freund daran noch nicht gedacht hatte. Natürlich hätte sich Liebar an einen Doppelgänger ihres verstorbenen Arbeitgebers erinnert. Vielleicht hatte Komeska jemanden geschickt, weil er an die dreißig Millionen wollte und nicht konnte. Reine Spekulation. Dazu müssten sie die ausländischen Firmenkonten von Lavida einsehen können. Bis dahin würde es noch eine Weile dauern.
»Ich muss weg«, sagte Freund.
»Sie halten mich informiert.«
»Wie Sie sehen.«
Auf dem Weg hinaus rief Freund Manuela Korn an.
»Ich verspäte mich vielleicht ein paar Minuten«, sagte er. »Warten Sie?«
»Ich passe so lange auch auf Clara auf«, sagte Korn.
»Treffen wir uns in der Eingangshalle.«
Er lief zum Taxistand am Michaelerplatz und nannte dem Fahrer die Adresse der Schule im sechsten Bezirk. Er hielt ihm seinen Polizeiausweis vor die Nase und sagte: »Geben Sie Gas.«
Der Mann nützte die Gelegenheit. Er wählte die Route durch die Hofburg, die öffentlichen Bussen, Taxis, Fußgängern, Radfahrern und Fiakern vorbehalten war, vorbei an Touristen vor dem Sisi-Museum und an den Pferdedroschken, die mit ihren Passagieren Kurs auf die Ringstraße nahmen. Freund genoss die Strecke immer wieder, am liebsten ging er sie zu Fuß oder fuhr mit dem Fahrrad. Durch die Höfe des ehemaligen kaiserlichen Stadtpalasts, hinter deren Torbögen sich der Heldenplatz öffnete, auf das säulenreiche äußere Burgtor zu, durch das man bereits das Denkmal Kaiserin Maria Theresias auf dem Platz zwischen dem Kunst- und dem Naturhistorischen Museum erkannte. An der Rückseite des Kunsthistorischen preschte der Fahrer auf die Mariahilfer Straße zu.
»Biegen Sie vorn links ab und fahren Sie über die Gumpendorfer«, forderte Freund.
Links abbiegen war an dieser Kreuzung eigentlich verboten. Aber da er sozusagen im Einsatz war …
Der Fahrer gehorchte, fing sich ein paar erzürnte Huper ein und fuhr dann parallel zu Wiens größter Einkaufsstraße. Die Schule lag in einer der Gassen, die Gumpendorfer und Mariahilfer Straße verband, ein klassisches Schulgebäude der Kaiserzeit, mit großem Tor und hohen Fenstern.
Als Freund den Taxifahrer bezahlte, strömten Horden von Teenagern heraus. Freund kämpfte sich gegen den Strom ins Gebäude. Es roch nach Schule. Die Eingangshalle war eigentlich ein hoher, breiter Flur. An seinen Wänden hingen Informationsblätter und Kinderzeichnungen, für die Freund jetzt keine Augen hatte. Im Gewimmel suchte er die Kinder und Manuela Korn. Er entdeckte sie schnell.
Artig gab ihm Marlies Korn die Hand, seiner Tochter fuhr er durchs Haar, was sie mit einem unwirschen »Papa!« quittierte.
Als Manuela Korn ihn begrüßte, blickte sie sich nervös um.
»Kinder, ihr könnt noch ein bisschen herumlaufen. Aber bleibt im Gebäude.«
»Wir wollen aber nicht herumlaufen«, erklärte Marlies.
»Dann setzt euch eben hin und beginnt mit euren Hausaufgaben.«
Clara griff Marlies bei der Hand. »Komm, laufen wir ein bisschen herum«, und die beiden jagten los.
Manuela Korn sah besorgt aus. »Danke, dass Sie gekommen sind.«
»Was ist denn geschehen?«
»Heute hat mich ein Mann in der Praxis besucht. Er stellte sich mit dem Namen Müller vor, aber der war sicher nicht echt. Er trug einen Anzug, war gepflegt, hatte aber etwas Hartes, das ich von Beginn an nicht mochte an ihm. Er hielt sich auch gar nicht lange mit Förmlichkeiten auf. Florian schuldete seinen Auftraggebern sehr, sehr viel Geld, erklärte er. Diese wollen ihr Geld natürlich zurück. Sie meinen, dass Florians Anteil am Familienvermögen seine Verbindlichkeiten aufwiegen könnte.«
In Freunds Kopf begann ein Film zu laufen. Auf einmal fügte sich einiges zusammen. Florian Dorin hatte Schulden gehabt. Gigantische, wenn sie nur mit seinem
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