Wienerherz - Kriminalroman
Anteil am Familienvermögen zu decken waren. Sein Bruder Leopold hatte davon bereits erzählt. Leute, die seinen Bruder deshalb bedrohten, hatte er nicht erwähnt. Davon hatte er vielleicht nichts gewusst. Vielleicht auch schon.
Ihre Lippen wurden schmal, begannen zu zittern.
»Er sagte, sie gingen davon aus, dass Marlies und ihre Halbgeschwister einen Großteil dieses Vermögens erben würden. Und dass sie besser beraten wären, die Schulden ihres Vaters damit zu bezahlen.«
»Hat er Ihnen gedroht?«
»Nicht expressis verbis, aber die Stoßrichtung war klar. Ich sagte ihm, dass er sich das zu einfach vorstelle. Das Vermögen liegt in der Familienstiftung, erklärte ich ihm. Da kann man es nicht einfach herausnehmen. ›Vielleicht wollen es Ihr Schwager und Ihr Schwiegervater kaufen‹, meinte er darauf. ›Sie finden sicher eine Lösung. Im Interesse Ihrer Tochter.‹ Das waren seine Worte. Und dann fügte er noch hinzu, dass ich die Geschichte nicht an die große Glocke hängen soll. Die Behörden hätten ohnehin schon genug mit der Sache zu tun.«
»Das ist deutlich.«
»Ich hätte über das Wochenende Zeit, eine Lösung zu finden, dann würde er sich wieder melden.«
Sie atmete tief durch. »Zuerst war ich völlig perplex. Aber so einfach habe ich es ihm nicht gemacht. Ich habe ihm gesagt, dass ich wissen möchte, wer denn angeblich diesen Anspruch habe. Und dass ich selbstverständlich Belege für diese Behauptungen sehen wolle. Schließlich könne nicht jeder einfach dahermarschieren und Geld von meiner Tochter wollen, weil ihr Vater Schulden gemacht hat. Wenn er das denn überhaupt hatte und nicht alles erfunden war. Da möchte ich gefälligst einen Rechtstitel sehen. Ohne einen solchen bräuchte er sich gar nicht wieder zu melden.«
Sie hatte sich in Rage geredet.
»Wie hat er reagiert?«
»Ich glaube, zuerst war er irritiert. Mit Widerstand hatte er nicht gerechnet. Dann erklärte er, dass seine Auftraggeber ihre Ansprüche nachweisen würden.«
»Hat er gesagt, wie er wieder zu Ihnen Kontakt aufnehmen möchte?«
»Nein.«
Freund überlegte fieberhaft. »Haben Sie schon mit Florians Familie gesprochen?«
»Ich habe es versucht, aber noch niemanden erreicht.«
Sie mussten umgehend mit der Familie reden. Und mit Florian Dorins anderer Ex. Vielleicht hatte sie auch Besuch erhalten.
»Ich glaube, wir haben einiges zu besprechen«, sagte Freund. »Mit welchem Verkehrsmittel sind Sie hier?«
»Mit den Öffentlichen.«
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, zu Fuß in den achten Bezirk zu gehen?«
»Warum?«
»Ich möchte prüfen, ob Sie beobachtet werden. Wenn Ihnen jemand droht, überwacht er Sie eventuell. Daran haben Sie auch schon gedacht, ich habe es an Ihrem Blick gesehen.«
Freund sah die Sorge in ihren Augen. Er zog sein Handy hervor. Es war eines dieser Dinger mit einem berührungsempfindlichen Bildschirm und einem Stadtplan darauf. Genau genommen eine ganze Weltkarte.
»Zeigen Sie mir Ihren Weg.«
Manuela Korns Finger fuhr über den kleinen Monitor.
»Gut«, sagte Freund. »Ich werde zuerst hinausgehen und Clara zu Hause abliefern. Sie folgen fünf Minuten später.«
Er zeigte auf den Plan.
»Hier in der Kirchengasse werde ich unauffällig Ihre Spur wiederaufnehmen. Gehen Sie unter irgendeinem Vorwand kleine Umwege. Vielleicht müssen Sie noch etwas einkaufen. Oder Ihre Tochter braucht etwas für die Schule. Und: Drehen Sie sich nicht um.«
Freund rief Clara, gemeinsam verließen sie das Gebäude. Seine Tochter plapperte, ohne Luft zu holen. Freund hörte ihr geduldig zu. Bis zu ihrer Wohnung gingen sie zehn Minuten, und sie lag in der richtigen Richtung. Mittagessen hatten sie in der Schule bekommen. Sie waren groß genug, eine Zeit lang allein zu Hause zu bleiben. Bernd war schon da. Freund ermahnte beide, brav zu bleiben. Er wechselte die Jacke und setzte eine Schirmkappe auf, damit allfällige Verfolger ihn nicht sofort wiedererkannten. Kaum hatte er die Wohnung verlassen, nicht ohne davor seine Mahnung zu wiederholen, rief er im Büro an. Lukas Spazier hob ab. Freund schilderte ihm die Situation, während er unterwegs zur Kirchengasse war.
»Ich könnte hier Unterstützung gebrauchen. Mit deinem Motorrad bist du am schnellsten da. Ruf mich an, sobald du in der Nähe bist. Ich sag dir dann, wo du mich findest.«
Nach ein paar Minuten hatte er die Stelle erreicht, an der er die Beschattung Manuela Korns und ihres Kindes aufnehmen wollte. Er wartete hinter einer Hausecke. Die
Weitere Kostenlose Bücher