Wienerherz - Kriminalroman
sein aktuelles Projekt hervorgehoben. Bei der Beteiligung am Anlagenbau-Unternehmen Kin Construct fand sich eine Aufnahme des kolportierten Geldgebers, des kasachischen Milliardärs Oleg Kurbajew.
Schließlich war da noch der jüngste Zuwachs, Emil Komeska. Zu dem geheimnisvollen Doppelgänger gehörte die nicht minder mysteriöse Lavida-Firmengruppe, auf die Dorin und Komeska über dreißig Millionen geschaufelt hatten, aus Quellen, die sie noch genauer zuordnen mussten.
Lange stand Petzold vor dem riesigen Puzzle, ließ ihren Blick über die Bilder und Notizen wandern, hoffte auf eine Eingebung. Statt dieser kam Lukas Spazier und stellte sich neben sie. Sie spürte ihr Herz springen.
Hör auf!, befahl sie sich.
»Ein Kuddelmuddel, was?«
»Kann man sagen.«
»Und jetzt kommt noch was dazu.«
»Großartig. Was?«
Sie war froh, über den Fall reden zu können. Das lenkte ab.
»Neues von Dorins Konten«, erklärte Wagner, der sich zu ihnen gesellt hatte.
Petzold merkte, dass sie bedauerte, nicht mehr allein mit Spazier zu sein. Jetzt kam auch noch Laurenz Freund.
»Einerseits hat er auf zwei seiner Konten Geld von anderen überwiesen, die wir dem Dunstkreis von Kin Construct und Oleg Kurbajew zuordnen konnten«, erklärte Wagner. Er hängte einen Ausdruck an die Wand, zum Komplex des kasachischen Milliardärs und des Anlagenbau-Konzerns.
»Außerdem fanden wir zwei Wertpapierdepots. Bislang kann ich nur riesige Verluste entdecken. Scheint, als hätte Dorin im großen Stil spekuliert. Aber mit wenig Erfolg.«
Er sah auf die Uhr. »Wir müssen«, sagte er zu Freund. »Gerwald Diswanger ist dran.«
Spazier stellte sich näher vor die Wand, schenkte Petzold keinen Blick. Sie beobachtete ihn. Seine breiten Schultern, die wirren Haare, die Hände in die Hüften gestemmt. Er könnte sich wirklich etwas zivilisierter kleiden, dachte sie.
»Und? Eine Idee?«, fragte sie.
»Hmmm«, antwortete er mit einem Kopfschütteln, ohne sich umzudrehen.
Sie kehrte in ihr Büro zurück.
Von einem anderen Planeten
Gerwald Diswangers Unternehmensgruppe umfasste Metall verarbeitende Betriebe und produzierte Spezialteile für verschiedene Industriezweige, etwa die Auto-, Elektronik- und Telekommunikationsbranche. Die Konzernzentrale lag in einem Industrieviertel nördlich Wiens, Diswanger hielt sich aber ein repräsentatives Büro in der Innenstadt. Eine Empfangsdame (warum war ihm eigentlich bislang nie ein Empfangsherr begegnet?, fragte sich Freund bei der Gelegenheit) führte Freund und Wagner in einen Besprechungsraum, in dem wenige Minuten später Diswanger erschien.
Manche hätten den Industriellen als »gestandenes Mannsbild« bezeichnet. Seine Schrankfigur hatte er in einen tadellos sitzenden Dreiteiler gekleidet, nur die Quernadel, mit der die Krawatte am Hemdkragen fixiert war, fiel Freund seltsam auf.
Diswangers Stimme dröhnte, als müsse er eine Ansprache vor Arbeitern in einer lauten Produktionshalle halten, als er sie mit jovialem Elan begrüßte. Trotz seiner Masse vermittelte seine ganze Erscheinung Tatendrang bis zur Rastlosigkeit. Auch nachdem sie sich gesetzt hatten, redete Diswanger nicht leiser.
»Meine Herren, was kann ich für Sie tun?«
Das weißt du ganz genau, dachte Freund. Sicher war Diswanger längst bis ins kleinste Detail informiert. Freund wunderte sich, dass ihn kein Anwalt begleitete.
»Wir untersuchen Vorkommnisse in der Folge des Todes von Florian Dorin. Da Sie wenigstens bei einem Projekt sein Geschäftspartner waren, müssen wir auch Sie befragen.«
»Das ist schon ein Jahr her«, dröhnte Diswanger. »Aber fragen Sie.«
»Zwei Journalisten, die bei dem Verkauf von Temvolt an Ihr Konsortium Unregelmäßigkeiten vermuten und dafür auch Belege haben, wurden brutalst angegriffen, mit dem Vorsatz, sie zu töten oder zumindest schwer zu verletzen.«
»Ich habe davon gehört. Schlimme Geschichte. Aber wer sagt denn, dass dieses Attentat mit Temvolt zu tun hat? Die Herrschaften werden doch auch an anderen Geschichten arbeiten.«
»Wir untersuchen in alle Richtungen, Temvolt ist eine davon. Gäbe es denn einen Grund, die beiden zum Schweigen zu bringen?«
Diswanger verlor nichts von seiner vordergründig aufgeräumten Polterei, auch wenn Freund darunter beständig kaum kontrollierte Aggressivität zu spüren meinte.
»Du liebe Güte, da fragen Sie den Falschen! Solche Methoden habe ich nicht nötig, darauf spielen Sie doch an.«
Freund lächelte allerliebst. »Zu welchen Methoden
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