Wieweitdugehst - Wieweitdugehst
sie wieder ganz gesund?« Liliana hob den Kopf, streichelte Netas Gesicht.
»Müssen wir beobachten. Die Antibiotika schlagen an. In der Nacht war sie furchtbar unruhig.«
»Deswegen habt ihr sie mit Pillen ausgeknockt, oder?«, fragte ich.
Die Krankenschwester starrte mich an, als sei ich soeben zwischen den Seiten eines schlechten Romans herausgekrochen und zufällig vor ihrer Nase gelandet.
»Ich bleibe hier«, bestimmte Liliana. »Ich bleibe bei ihr.«
Die Krankenschwester zuckte die Schultern und verschwand. Gerade rechtzeitig, denn mein Handy klingelte, und das hätte mir wahrscheinlich ein Hausverbot eingebracht.
»Kea, wo bist du?«
Neros Stimme!
»Bei Neta. Im Krankenhaus in Ingolstadt.«
»Sag mal, wo ist die Witwe?«
»Welche Witwe?«
»In den Zeugenaussagen steht, dass Neta Kasimir mit der Witwe des Mannes unterwegs war, dessen unehelicher Sohn in der Geisterbahn ermordet wurde.«
»Bitte? Wessen unehelicher Sohn?« Aus den Augenwinkeln sah ich Netas Lächeln, als Liliana ihre Wangen streichelte. Die Zärtlichkeit in ihrer Geste machte mich aggressiv. Sofort sprang meine Wut auf Nero über.
»Interessant, dass ich das auch mal erfahre.«
»Was hat es mit dir zu tun?«
»Ich stehe hier am Krankenbett«, belferte ich. »Und Liliana ist auch da. Also, wenn du sie sprechen willst …«
»Kollege Weiß wollte sie vernehmen. Dann schicke ich ihn jetzt nach Ingolstadt. Es ist dringend.«
»Ach, ist es das?« Ich verließ das Zimmer. »Die Witwe kann den Jungen kaum umgebracht haben. Sie saß selbst in einer Gondel in ›The Demon‹ und stand unter Schock, als sie endlich den Ausgang fand. Ich habe sie gesehen, wie sie Neta und mir entgegentaumelte.« Das Grauen dieser Minuten hatte mich wieder. Vor allem aber die Angst um Nero. Warum hatte ich um ihn gebangt? Und warum war ich jetzt zornig auf ihn?
»Die Soko Geisterbahn steckt fest. Es geht nicht vor, nicht zurück.«
»Deine Kollegen spekulieren also genauso wie die Zeitungen«, stellte ich fest. An der Tankstelle hatte ich mir die Schlagzeilen angesehen. Das genügte.
»Eben. Die Politik macht Druck. Das Oktoberfest darf nicht sterben. Du weißt selbst, welche Lobby die Wiesnwirte haben. Wenn denen der Umsatz wegbricht …«
»Ich glaube kaum, dass sie ihren Schnitt wegen dem Geistermörder nicht machen«, hielt ich dagegen. »Eher, weil die Leute keine Lust haben, am Eingang wie Verbrecher behandelt zu werden. Man fragt sich ja mal wieder, wer vor wem geschützt werden soll.«
»Keine Zeit für Grundsatzdiskussionen, Kea. Der Fall muss geklärt werden. Ein Kind …«
»Ja, mit Kindern kommt man immer gut ins Rennen. Das ist super für die moralische Empörung der selbstgerechten Idioten.«
»Was ist eigentlich los mit dir?«, fragte Nero.
Der Unterton gefiel mir nicht.
»Lass mal«, mühte ich mich. »Ich habe schlecht geschlafen.«
»Ist ja nichts Neues.«
»Tschüss.« Ich legte auf. Nun würde die Polizei Liliana in Scheiben schneiden. Aber nur über meine Leiche. Diese Frau hatte genug gelitten.
27
»Sie haben also keinen Kontakt zu Astrid Nedopil?«, fragte Marek Weiß.
Ich sah ihm gebannt in die Augen. Der Mann wünschte sich an den Strand der Pfefferküste, nur möglichst weit weg. Irgendwie mochte ich die Art nicht, wie er Liliana musterte. Ich saß eng neben ihr. Wie festgeklebt. Marek konnte nur uns beide kriegen. Oder keine von uns. Nun begann mein neues Leben als Bodyguard.
»Nein«, sagte Liliana mit verkniffenem Lächeln.
Wir saßen in der Cafeteria. Ich meditierte über einer ockerfarbenen Plempe, die unter dem Label Kaffee verkauft wurde. Liliana hatte Tee genommen. Das Gebräu besaß dieselbe Farbe. Marek Weiß hielt uns eine Tüte Gummibärchen hin.
»Wenn Sie möchten …«
Ich nahm eines. Allmählich sortierten sich die chaotischen Gedanken in meinem Kopf zu ordentlichen Stapeln.
»Wann begann die Affäre zwischen Ihrem Mann und Astrid Nedopil?« Der Kommissar zog einen Notizblock aus der Hemdtasche und warf ihn auf den Tisch, als wolle er eine Schmeißfliege zermalmen.
»Soweit ich weiß, vor 15 Jahren.« Lilianas Augen füllten sich mit Tränen. »Aber ich verstehe nicht, was das mit Ihren Ermittlungen zu tun hat.«
Ich verstand es auch nicht. Ich trank noch einen Schluck von der unsäglichen Lorke und schob die Tasse weg. Lorke. So hatte meine Oma Laverde einen Kaffee genannt, der aus nichts als braun gefärbtem Wasser bestand. Aber offenbar hatte diese letzte Dosis Koffein ausgereicht, um mir
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