Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wieweitdugehst - Wieweitdugehst

Wieweitdugehst - Wieweitdugehst

Titel: Wieweitdugehst - Wieweitdugehst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
Vom Netzwerk:
die Augen zu öffnen. Und die Hirnwindungen freizufegen.
    »Der tote Junge ist Herrn Bachmanns Sohn!«, platzte ich heraus. Und wäre am liebsten im Boden versunken.
    »Ja. Jetzt, wo Sie es sagen …« Marek Weiß sah mich erleichtert an.
    »Der Junge …?«, flüsterte Liliana.
    Vielleicht hatte sie etwas Schutzbedürftiges an sich. Vielleicht machte es mir aber auch ihr sanftes Wesen leicht, meine Hand auf ihre zu legen.
    »Haben Sie das nicht geahnt?«, fragte ich. Als Ghost standen mir Suggestivfragen zu.
    »Nein!« Der letzte Rest Farbe sackte aus Lilianas Gesicht.
    Marek Weiß und ich schwiegen.
    »Weiß es Neta?«, flüsterte Liliana.
    Ich zuckte die Achseln. »Wir sollten sie damit jetzt nicht belasten.«
    Liliana nickte. »Nein. Sie soll erst gesund werden. Sie muss gesund werden. Wenn sie es nicht schafft …« Nun rollten die Tränen über Lilianas blasse Wangen. »Wenn sie es nicht schafft, das halte ich nicht aus. Sie ist mein ein und alles. Mein liebes Mädchen.«
    Weiß und ich wechselten Blicke. Zu lieben machte angreifbar. Liliana war eine einzige Wunde.
    »Frau Bachmann, wollen Sie uns erzählen, wie alles kam? Wie Sie zu Astrid Nedopil stehen? Zu ihrem Sohn?«, fragte ich, weil ich nicht anders konnte.
    Liliana tupfte sich die Augen und nickte.
    »Es macht alles wenig Sinn. Aber gut.« Sie straffte die Schultern.
    Ich nahm noch ein Gummibärchen. Versuchte, ein grünes zu erwischen, geriet an ein gelbes und traute mich nicht, mit der Tüte zu knistern, um es gegen ein grünes auszutauschen.
    »Ungefähr vor 15 Jahren muss diese Affäre begonnen haben. Jemand aus unserem Freundeskreis hat meinen Mann und … und Frau Nedopil miteinander bekannt gemacht. Eugen Walt. Dr. Eugen Walt. Ein Apotheker. Mein früherer Kommilitone. Natürlich nicht mit der Absicht, dass die beiden – nun, etwas miteinander anfangen. Ach, ich weiß nicht.« Sie barg ihr Gesicht in den Händen. Marek Weiß sah mich an, als wolle er mir sagen: Nun tun Sie doch was!
    Ich berührte vorsichtig Lilianas Schulter. Sie wich nicht aus. Als brauche sie diesen zarten Hauch einer menschlichen Hand, um sich aus ihrem Abgrund zu retten, sich zu konzentrieren.
    »Ich ahnte nichts. Er war oft nervös, mein Mann. Unruhig. Viel unterwegs. Das ist ein Klischee, ich weiß. Alle Frauen, deren Männer viel außer Haus sind, wollen glauben, dass es wegen der Arbeit ist. Ich dachte das auch. Bert war in der Nukleartechnik tätig. Das hat ihn bis an die Grenzen des Erträglichen gefordert. Er hat immer sehr darauf geachtet, dass niemand etwas von seinem Doppelleben merkte.«
    Endlich kriegte ich ein grünes Gummibärchen aus der Tüte. Ich zwang mich, nicht zu kauen, sondern den Geschmack durch Lutschen zu potenzieren.
    »Wenn das Kind nicht geboren worden wäre …« Sie schüttelte den Kopf. »Aber diese Frau flehte meinen Mann an, ihr das Kind zu lassen, sie nicht zu einer Abtreibung zu zwingen. Sie war schon über 40. Es war ihre letzte Chance. Sie wollte das Kind bekommen, versprach ihm, sie würde nie mehr etwas von ihm verlangen. Wenn sie nur das Kind hätte. Ha!« Das bittere Lachen passte nicht zu Lilianas Gesicht, das in der Trauer, im Entsetzen immer noch freundlich wirkte. »Natürlich forderte sie dann etwas. Immer mehr. Bert hat auch all die Jahre bezahlt. Nicht dass Sie denken, ich wäre dagegen gewesen. Das gehörte sich!«
    »Wann haben Sie von dem Kind erfahren?«
    »Der Junge war sechs und wurde eingeschult. Erst da bekam ich mit, was lief. Bert war sehr vorsichtig. Für die Alimente richtete er ein eigenes Konto ein. Sein Arbeitgeber überwies einen Teil seines Gehaltes direkt auf dieses Konto. Ich konnte nichts merken. Aber dann«, Liliana schluchzte, doch sie sprach weiter, »sagte mir eine unserer Nachbarinnen, was Sache war. Sie hatte Bert bei der Einschulung des Jungen getroffen. Er war mit … mit dieser Frau und seinem Sohn dort. Es war Zufall! Unsere Nachbarin hat einen Enkel, der an dieselbe Schule kam. Wie es eben manchmal so geht!«
    Ich schob ihr eine Packung Tempos zu. Sie schnäuzte sich.
    »Ja, und dann«, fuhr sie fort, »habe ich Bert zur Rede gestellt. Er machte geltend, mir oder unserem gemeinsamen Sohn habe es an nichts gefehlt. Wie auch? Bert hat gut verdient. Und ich auch. Ich bin Apothekerin. Ich habe wieder gearbeitet, sobald unser Johannes in der Schule war. Aber Geld ist ja nicht alles.«
    »Was wissen Sie über Marius Nedopil?«
    Liliana sah auf.
    »Ich hatte solches Mitleid mit der Mutter, als

Weitere Kostenlose Bücher