Wieweitdugehst - Wieweitdugehst
Politik klebt uns im Nacken. Haben wir niemanden, den wir für eine Woche unter dringendem Tatverdacht festnehmen können? Nur, um die Bagage zu beruhigen?«
»Marek!«
»Demokratie hin oder her. Dieses Land ist doch längst keine Demokratie mehr. Knallen wir alles der Kasimir drauf. Die ist aus dem Schneider, weil sie halb im Koma liegt. Bis sie sich erholt hat, ist die Wiesn vorbei und wir können wieder vernünftig arbeiten.«
»Das geht mir jetzt zu weit.« Sandra brachte ihr Pflichtgefühl in Stellung. Vor wenigen Minuten hatte sie einen Anruf aus dem Innenministerium bekommen. Von einem Dr. Klug. Wie passend.
»Die Frau steckt voller Zorn wegen der Affäre ihres Mannes!«, regte Marek sich auf. »Zorn ist eine starke Kraft! Vielleicht hat sie ihre junge Freundin überredet, das Virus zu basteln und …«
»Zorn auf den Mann, auf die Geliebte vielleicht. Aber auf das Kind?«
»Sie kann einen Killer angeheuert haben. Geld hat sie! Checken wir ihr Haus. Ihren Computer.«
»Da macht kein Richter mit!« Sandra stand auf. »Deine Aufgabe ist es, Frau Bachmanns Umfeld in Augenschein zu nehmen. Was ist mit der Apotheke, in der sie früher gearbeitet hat? Frag da nach. Erkundige dich nach Freizeitaktivitäten. Sprich mit den Nachbarn. Der verstorbene Herr Bachmann hat Verwandte: einen Bruder und einen Cousin. Nimm Kontakt auf. Suche nach Ungereimtheiten in der Geschichte um diese Affäre. Und ich schaue mich bei Astrid Nedopil um. Wir müssen ihr mitteilen, wo wir stehen.«
»In Greenwich Village.«
Sandra runzelte die Stirn. »Wo?«
»Am Nullpunkt!«
»Sehr witzig. Herein!«, rief sie auf das Klopfen an der Tür. »Servus, Bianca!«
Kommissarin Bianca Heinrichs von der Sitte streckte den Kopf in Sandras Büro. »Hast du Lust auf ein kurzes Mittagessen?«
»Ich komme mit.« Sandra stand auf. »Marsch, marsch, an die Arbeit, junger Mann!«
Marek schnitt ihr eine Grimasse und verschwand.
»Bei euch geht es drunter und drüber, oder?«, fragte Bianca Heinrichs und setzte sich auf Sandras Schreibtisch.
»Bei euch wird es nicht anders aussehen.«
»Die Wiesn macht mich kaputt.«
»So schlimm?«
»Wir haben da einen komischen Typen aufgegriffen«, erzählte Bianca. »Hat sich an Mädchen und Jungen herangemacht. Unter anderem in der Geisterbahn. Er sucht Fahrgeschäfte auf, in denen es dunkel ist oder wo sich viele Leute drängen. Logisch, du kennst das. Jedenfalls war er eine gute Stunde, bevor der Mord passierte, Passagier in ›The Demon‹. Wir haben eine Anzeige gegen ihn und werten gerade die Videobänder aus. Einige von denen habt ihr auch durchgesehen, soweit sie in euer Zeitraster passen.«
»Klar.« Sandra nickte. »Wie war das mit dem Mittagessen?«
Sie traten gemeinsam auf den Gang.
»Jedenfalls passt der Knilch von der Beschreibung her auf den Mann, den ihr sucht. Ein Krisperl. Kein Gramm Fleisch auf den Rippen. Das reinste Skelett. Schau ihn dir an und check danach eure Videos noch mal durch.«
Aufgeregt packte Sandra Biancas Arm. »Den will ich sofort sehen. Das Mittagessen kann warten.« Sie nahm ihr Handy und rief in der Technik an. Bat darum, die genauen Daten bezüglich Körpergröße und vermutetem Gewicht des Mannes oder der Frau durchzugeben, den oder die sie auf den Videobändern hatten.
29
Dieser Oberbulle hatte mich ziemlich aufgeregt. Dass er Liliana auf der Verdächtigenliste hatte, tat mir körperlich weh. Wahrscheinlich war es einfach so, dass Liliana in ihrer Schutzbedürftigkeit an die elementaren Instinkte ihrer Mitmenschen appellierte. Ich musste dringend mit Nero reden. Oder mit Juliane. Ich fuhr nach München zurück. Für Neta konnte ich nur hoffen.
Mit Lilianas Hausschlüssel in der Hosentasche brauste ich über die Autobahn. Ich sehnte mich plötzlich nach einem Ghostwritingprojekt, das mich innerlich weit wegführen würde von ›The Demon‹, der Wiesn, diesem ganzen Krempel. Selbst schuld, ich hatte meine Auszeit gewollt. Wehe dir, wenn deine Wünsche in Erfüllung gehen, hörte ich meine Mutter dozieren. Ja, verdammt. Ich würde schon ein neues Projekt finden. Genügend Leute wollten sich mit einer Autobiografie den Bauch pinseln. Vielleicht sollte ich einfach mal wieder meine E-Mails checken. Ich aktivierte den CD-Spieler und ließ Dvořáks Symphonie aus der neuen Welt abspielen. Eine Aufnahme mit dem Baltimore Symphony Orchestra, das das Largo besonders zärtlich interpretierte.
Liliana wohnte in einer stillen Zeile in Erding. Gepflegte Gärten umstanden
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