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Wieweitdugehst - Wieweitdugehst

Wieweitdugehst - Wieweitdugehst

Titel: Wieweitdugehst - Wieweitdugehst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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in herbstlicher Pracht mindestens ebenso gepflegte Einfamilienhäuser. Ich hielt vor Lilianas Carport, in dem ein nicht mehr taufrischer Opel Vectra stand, und stellte den Motor ab. Hier würde ich nicht wohnen wollen. In einer Nachbarschaft, wo sich die Gardinen bewegten, wenn man eintrudelte. In meiner Klause weit draußen schnatterten höchstens meine Gänse.
    Liliana hatte mir alles genau beschrieben. Sie schien Fremden schnell zu trauen, oder vielleicht gab es einfach nur niemand anders, der ihre Sachen zusammenpacken konnte. Ich fand den kleinen Koffer, tappte ins Schlafzimmer, suchte Pyjama und Wäsche zusammen und kam mir komisch vor. In anderer Leute intimen Klamotten herumzuwühlen, bekam mir nicht. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Nero sich dabei wohlgefühlt hatte, wenn er in den Wohnungen von Mordopfern nach Hinweisen gesucht hatte. Aber seine Zeit bei der Mordkommission war vorbei. Definitiv. Manchmal hatte ich sogar den Eindruck, er würde gern ganz aus seinem Job aussteigen. Vielleicht in ein Gut in der Provence ziehen und sich dort mit Kunst befassen. Mit Cocteau, zum Beispiel. Nero mochte Kunst. Er brauchte sie als Gegengewicht zu den Scheußlichkeiten, mit denen er sich sonst herumschlug.
    Ich ging ins Bad und packte Zahnbürste, Haarklammern und Cremes nach Anweisung ein. In dem leeren Haus fühlte ich mich beklommen. Als sei ich nicht allein. Blödsinn, dachte ich. Ich bin allein.
    Lilianas Mann hatte gut verdient und sie nicht schlecht. Sicher hätten sie sich ein repräsentativeres Zuhause leisten können, wenn sie es gewollt hätten. Ich trabte durch die Räume. Einer sah aus wie das Zimmer eines Jugendlichen, der lange nicht mehr hier gewesen war. Ein Poster von Fleetwood Mac. Ansonsten wenig Aussagekräftiges, bis auf das Notebook auf dem Schreibtisch. Ich zögerte, fasste es dann doch nicht an und ging wieder hinunter. Den Koffer stellte ich hinter der Haustür ab. Der Garten machte mich neugierig. Ich durchquerte das Wohnzimmer und stieß die Terrassentür auf.
    Es war kühl geworden. Als wollte der Oktober mit dem Zeigefinger drohen und sagen: Ich bin nicht der, für den ihr mich haltet.
    Anders als die raue Natur, die mein Haus umgab, und die Nero spöttisch als botanische Struktur bezeichnete, war dies hier ein richtiger deutscher Garten. Mit Rasen, sauber ausgeschnittenen Obstbäumen, Fliederbüschen, einem Vogelhäuschen und einer Vogeltränke. Weit hinten am Zaun sah ich einen Komposthaufen. Ich ging über das gestutzte Gras. Die akkurat gezogenen Gemüsebeete lagen auf der linken Seite. Das Laub musste erst vor Kurzem zusammengerecht worden sein.
    Spießig, dachte ich. Passt gar nicht zu Liliana.
    Ich stritt ein bisschen mit einer Amsel, die sich am Rand der Vogeltränke niedergelassen hatte und wütend tschilpte.
    »Was machen Sie da?«
    Ich fuhr zusammen, die Amsel flog auf und machte sich schimpfend davon.
    »Mit Vögeln reden«, sagte ich, nachdem mein Herz sich wieder beruhigt hatte. »Die kleine Krähe hätte mir ein Sonett diktiert, wenn Sie nicht dazwischengegangen wären.«
    Marek Weiß kam ums Haus auf mich zu, als wollte er mich sofort festsetzen. »Sie sind also eine Freundin von Frau Bachmann?«
    »Nein. Aber ich habe ihren Hausschlüssel«, ich warf den Schlüssel in die Luft und fing ihn wieder auf, »und den Auftrag, ihr ein paar Sachen nach Ingolstadt zu bringen. Sie will bei Neta bleiben, bis es ihr besser geht.«
    »Eine herzliche Frauenfreundschaft.«
    »Sie können aber bissig sein.«
    »Und Sie ziemlich karitativ. Oder macht Ihnen die Fahrerei zwischen München und Ingolstadt Spaß?«
    »Ich habe ein neues Auto.«
    »Den Spider?«
    Ich nickte.
    Weiß drehte sich ohne ein Wort um und marschierte auf die offene Terrassentür zu.
    »He, Moment mal!«
    Er reagierte nicht. Ich beschleunigte und packte ihn an der Schulter.
    »He, Herr Oberkommissar oder wie viele Sterne auch immer auf Ihren Schulterklappen scheppern. Das nenne ich Hausfriedensbruch.«
    Er schüttelte meine Hand ab und ging ins Haus.
    »Sie machen alles dreckig!« Vorwurfsvoll wies ich auf die Erdklümpchen, die auf dem cremefarbenen Teppichboden liegen blieben.
    »Sie kennen sich doch aus. Bestimmt wissen Sie auch, wo der Staubsauger versteckt ist. Na los, tun Sie, was Sie nicht lassen können.«
    Ich war baff. Das passierte mir selten. Dieser Weiß war noch kaltschnäuziger als ich. Eine seltene Konstellation. Trotzdem hatte er kein Recht, hier spazieren zu gehen. Ich nahm mein Handy und rief

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