Wigges Tauschrausch
sein, vielmehr ist der gängige Tausch Schönheit gegen soziale Sicherheit.
Tausch auf Leben und Tod
Kein Wunder, bei der desaströsen Wirtschaftslage: Eine Englischlehrerin verdient monatlich gerade mal hundert Euro, obwohl die Lebenshaltungskosten in der Ukraine nicht viel günstiger sind als in Deutschland. Eine Ausreise in die EU ist ohne Heirat praktisch unmöglich. Solange man nicht Kinder, viel Geld und einen festen Job hat, bleiben die Tore der Festung EU geschlossen. Ein lockerer Austausch ist unmöglich.
Dieses Dilemma wurde mir wenige Tage vorher bei einem traurigen Tagesausflug in die Sperrzone von Tschernobyl vor Augen geführt. Ich hatte eine Tour in die verstrahlte Region gebucht, um einen Eindruck davon zu bekommen, ob dort nach dem Reaktorunfall von 1986 überhaupt noch irgendeine Form von Austausch möglich ist. Meine Reiseführerin war die 22-jährige Vita, die mir von sich erzählt. Schnell war ich nicht mehr an den verlassenen und verstrahlten Gebäuden interessiert, sondern vielmehr daran, warum Vita in dieser Region arbeitet und die Hälfte des Monats sogar im verstrahlten Städtchen Tschernobyl wohnt. Die Antwort ist einfach: Sie hat studiert, spricht fantastisches Englisch, hat viele weitere Qualifikationen, aber bei keinem der verfügbaren Jobs ist das Gehalt höher als hundert Euro im Monat. Deshalb wohnt sie zwei Wochen im Monat mitten in der Strahlenhölle und führt Journalisten sogar in den sogenannten Red Forest, einen Wald, der mit teilweise bis zu vierzig Mikrosievert immer noch dermaßen verstrahlt ist, dass man sich dort nicht mehr als wenige Minuten aufhalten dürfte. Vita tut es dennoch, bekommt dafür gerade mal 600 Euro monatlich und musste sofort einen Dreijahresvertrag unterschreiben.
Was wird das für Folgen für sie haben? Und wird sie jemals Kinder haben können? Ich habe die Sperrzone mit einer Traurigkeit verlassen, die ich selten auf dieser Reise erlebt habe – eine junge, attraktive und hochqualifizierte Frau kennenzulernen, die ihre Gesundheit gegen 600 Euro im Monat eintauscht, weil die wirtschaftliche Situation ihres Landes derart desolat ist.
Nach diesem Erlebnis erzähle ich der Heiratsvermittlerin Tatjana von Peters scherzhaftem Tauschwunsch, gebe aber auch zu bedenken, dass so etwas bei der ernsten Lage in der Ukraine wohl eher unpassend sei. Sie hat gleich eine super Idee: Sie kennt zwei Ukrainerinnen, die finanziell etwas besser gestellt sind und gerne beim Tauschrausch mitmachen würden. Diese beiden jungen Ukrainerinnen sollen schon bald in Peters Wohnzimmer in Portugal zu sehen sein …
So stehe ich noch am selben Tag mit Ina und Marina vor Winnizas Sehenswürdigkeiten, die aus einem Wasserturm, einem Park und einem Platz bestehen. Ina und Marina sind beide Mitte zwanzig, attraktiv, und sie sprechen Deutsch. So beginnen wir mit einer sehr persönlichen Videoproduktion für Peter mit Ina und Marina in den Hauptrollen. »Hallo Peter, hier sind Ina und Marina mit einer gaaaanz persönlichen Stadtrundführung, nur für dich, Peter!«
Sie zeigen dem unbekannten Mann in Portugal in einem kleinen Film den Wasserturm, den Peter doch mal besuchen solle, führen ihn weiter zum »Central Park« der Stadt bis zum Platz der Liebe, der sich ganz ohne Understatement Pariser Platz nennt.
Ina und Marina haben keine Scheu, Peter mit ihrer sehrpersönlichen und weichen Art so anzusprechen, dass es wirkt, als seien sie zwei seiner Verehrerinnen. Musikalische Einlagen, Küsse in Zeitlupe und erotische Bewegungen am Wasserturm, den sie als Big Ben bezeichnen, runden die Sache ab. Ich schneide mit meinen beiden Kameraleuten Dominik und Jakob alles zusammen, verstärke die Atmosphäre mit Zeitlupen und animierten Herzchen und hoffe, dass Peter vom Stuhl fällt, wenn ich ihm dieses Video als Tauschangebot überreiche.
36 Stunden
Ich reise mit Reisegutschein, Gemälde, Bibel, den fünf Büchern Mose und einer erotisch angehauchten DVD in einer kleinen Schatztruhe weiter nach Kiew, will aber meine letzten 36 Stunden in der Ukraine für einen finalen Tausch in diesem Land nutzen.
Als ich aus der Wohnung trete, die ich gemietet habe, traue ich meinen Augen nicht: Die Neureichen sind da! Auf der Straße reiht sich Porsche an BMW und Mercedes an Rolls Royce. Es ist ein Anblick, den ich selten gesehen habe. Aufgetakelte Frauen, kleine Hündchen und Louis-Vuitton-Taschen drängeln sich auf der Straße. Ich lege schnell mein Reisegepäck ab, jetzt habe ich die Chance, das 100 x
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