Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wigges Tauschrausch

Wigges Tauschrausch

Titel: Wigges Tauschrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wigge
Vom Netzwerk:
nicht erinnern, je auf einem verrückteren und beeindruckenderen Festival gewesen zu sein: Viele der Besucher tragen kreativ gestaltete Kleidung, haben ihre Körper bemalt oder kommen nackt. Jeder beteiligt sich an der kreativen Ausgestaltung der imaginären Stadt, die während des Festivals entsteht. Die Besucher haben zum Beispiel ihre eigenen Fahrzeuge gebaut, mit denen siesich über das riesige Areal mitten in der Wüste bewegen. So sehe ich plötzlich ein riesiges Ufo, auf dem Leute zu Elektro-Rhythmen tanzen. Oder ich treffe auf unbeschreibliche Gefährte, die mich an den Film Water World erinnern, futuristisch angehauchte Figuren, umgebaute Fahrräder oder Golfbuggys, die aussehen, als kämen sie von einem anderen Planeten. Dann wieder tanzen die Menschen auf riesigen Trucks, die zum Beispiel zur Arche Noah umgestaltet sind. Die Szenerie steckt voller Fantasie und Kreativität und ist absolut überwältigend.
    Auf dem Höhepunkt der Veranstaltung wird eine große menschliche Figur verbrannt. Dieses Ritual existiert seit 1986, als Larry Harvey zusammen mit einigen Freunden anlässlich der Sommersonnenwende die zweieinhalb Meter hohe Holzfigur eines Mannes verbrannte. Die Idee wurde ständig weiterentwickelt und hat 25 Jahre danach völlig andere Dimensionen: Am Freitagabend wird nach Sonnenuntergang vor mindestens 40000 schweigenden Menschen ein zwanzig Meter hohes Trojanisches Pferd verbrannt, samstagsabends erleidet ein inzwischen 24 Meter hoher hölzerner Mann dasselbe Schicksal, und am Sonntag ist ein riesiger Holztempel dran, dreißig Meter hoch, mit einem Durchmesser von bestimmt fünfzig Metern, der in Flammen aufgeht. Die Stimmung in den Momenten, in denen die Kunstwerke verbrannt werden, ist unglaublich. Alles verläuft in absoluter Stille, niemand ruft oder albert herum. Es herrscht Respekt und Ehrfurcht – unbeschreiblich!
    Ich lerne David kennen. Er ist um die fünfzig, steht mit einer großen Tuba mitten in der Wüste und macht Musik. So weit, so gut. Doch bei jedem Ton, den David aus seiner Tuba presst, schießt oben Feuer aus dem Instrument. Während er spielt, gesellt sich ein weiterer Mann hinzu,der Trompete spielt, und schließlich eine mehr oder weniger nackte Frau, die einen Luftballon zur Tröte umfunktioniert, indem sie die Luft gezielt entweichen lässt. Schnell ist das Trio von Menschen umringt, die Beifall klatschen und mitsingen.
    Später komme ich mit David ins Gespräch und erfahre, dass er der Regisseur des Spielfilms The Simpsons ist und veranlasst hat, dass Lisa Simpson als Cartoon-Charakter Saxophon spielt.
    Ich frage ihn, ob er etwas mit mir tauschen würde, ich hätte gehört, dass das sozusagen zum Festival dazugehöre. Doch David erklärt mir, dass ich da wohl etwas falsch verstanden habe. Es stimme zwar, dass man Dinge hierher mitbringt, aber es ginge darum, sie zu verschenken, ohne eine Gegenleistung dafür zu erwarten.
    Und tatsächlich, ich sehe jemanden, der hunderte von Hot Dogs verschenkt, ein anderer brät Schinken auf der Motorhaube seines Wagens und verschenkt ihn, andere verschenken Sonnencreme.
    Ja, ich bin enttäuscht, denn getauscht wird hier nicht. Aber meine Begeisterung ist einfach größer als alle Enttäuschung. Es ist unglaublich, dass 50000 Menschen in der Wüste zusammenkommen, um sich schlicht und einfach zu beschenken und so für eine warme Wohlfühl-Atmosphäre sorgen.
    Gut, tauschtechnisch wird hier nichts mehr laufen, das habe ich verstanden. Aber vielleicht gibt es ja unter all den verrückten Typen hier einen Wahrsager, der mir ein wenig Mut für die letzten vierzig Tage meiner Mission machen kann. Und tatsächlich treffe ich Nathalie-Eva mit ihrem Freund, die beide in Federschmuck und Lederkleidung daherkommen und wie eine Art indianische Schamanen aussehen. Sie feiern wild und erzählen mir, dasssie momentan mit Sicherheit ein bisschen in die Zukunft schauen könnten. Und tatsächlich haben sie auch sofort eine Antwort auf meine brennende Frage:
    »Ja, das klappt schon mit dem Haus! Mach dir mal keine Sorgen, feiere lieber mit!«
    Wie weit diese Aussage auf wahren hellseherischen Qualitäten beruht, sei mal dahingestellt, jedenfalls male ich mich – passend zu meinen goldenen Shorts – am ganzen Körper mit goldener Farbe an. Eine schräge rote Sonnenbrille und ein grüner Kopfschmuck vervollständigen den Marsmenschen-Look, den ich mit großer Freude schon in Deutschland vorbereitet hatte. So gerüstet, stürze ich mich ins Getümmel.
    Nach

Weitere Kostenlose Bücher