Wikinger meiner Traeume - Roman
dauerte es nicht, bis Dragon feststellte, wie es entstanden war. Ein breiter Streifen aus Pech, das man benutzte, um Schiffsrümpfe zu versiegeln, und das in Landsende
stets verfügbar war, tränkte das Erdreich nur wenige Schritte vom Schuppen entfernt und führte direkt darauf zu. Unter Wasser richtete das Pech keinen Schaden an, an Land gab es kaum etwas, das besser brannte.
Also war das Feuer mit Absicht gelegt worden.
Die Webstühle und Stoffe, das Salz, Grani, die Gewürze...
Langsam wanderte er umher, scheinbar bestrebt, die Ruine zu mustern. In Wirklichkeit beobachtete er die Menschen, die den Brand bekämpft hatten. Auch die Besatzungen der Schiffe im Hafen waren herbeigeeilt, um beim Löschen zu helfen. Niemand fehlte, abgesehen von den alten Leuten und kleinen Kindern – und...
»Wo ist meine Frau?«, fragte er Magda, die gerade mit ihren Gehilfinnen die leeren Eimer einsammelte.
Die Wangen voller Ruß, so wie alle anderen, die Augen vom Rauch gerötet, schaute sie sich unsicher um. »Keine Ahnung, Mylord... In letzter Zeit habe ich sie nicht gesehen.« Noch während sie sprach, las sie den Verdacht in seinen Augen. Tatsächlich, die Abwesenheit der Herrin in diesen gefahrvollen Stunden war sonderbar.
Dragon winkte Magnus zu sich, der wie üblich sofort an seiner Seite erschien. »Stell einen Suchtrupp zusammen. Meine Gemahlin muss gefunden werden.«
Grimmig dreinblickend wandte er sich wieder zu der qualmenden Ruine.
Feuchte Kälte streifte Ryccas Gesicht und weckte sie. Einige Minuten lang schwankte sie auf der Schwelle des Bewusstseins, bis die Erinnerung abrupt zurückkehrte. Sie lag auf nasser Erde, die sie an ihrer Wange gespürt hatte. Ringsum wallten Nebelschwaden. Wo sie sich befand und wie lange sie ohnmächtig gewesen war, wusste sie nicht.
Oder wer sie überfallen hatte.
Vorsichtig setzte sie sich auf und betastete ihren Körper.
Von ein paar Schürfwunden und blauen Flecken abgesehen, war sie anscheinend unverletzt.
Schlangen. In ihrer Fantasie tauchten plötzlich die ineinander geschlungenen Reptilien auf, die sie gesehen hatte, kurz bevor ihre Sinne geschwunden waren. Was mochte das bedeuten?
Um darüber nachzudenken, würde sie später noch genug Zeit finden – falls es das Schicksal gut mit ihr meinte. Jetzt musste sie erst einmal feststellen, ob sie allein war.
Die Augen zusammengekniffen, spähte sie in den Nebel und lauschte angespannt. Nichts regte sich, kein Laut drang heran.
Erleichtert seufzte sie und zwang sich zur Ruhe. Trotz des Spätsommers war die Luft kühl. Schaudernd verschränkte sie die Arme vor der Brust und versuchte, die Tageszeit festzustellen. Das gelang ihr nicht, weil der Nebel die Sonne verbarg.
Aber wie viele Stunden seit dem Angriff im Stall auch verstrichen sein mochten – der Tag neigte sich sicher dem Ende zu. Bald würde sie in der nächtlichen Kälte erbärmlich frieren, und deshalb musste sie möglichst schnell die Festung erreichen.
Wie sollte sie in diesem dichten Nebel den Weg finden? Ein falscher Schritt, und sie würde sich in noch größere Gefahr bringen. Andererseits war es unerträglich, nichts zu unternehmen. Hielt sich der Entführer in ihrer Nähe auf? Zögernd rief sie: »Hallo – ist da jemand?«
Ihrer Frage folgte tiefe Stille, so bedrückend wie der Nebel. War sie mutterseelenallein in einer Welt, aus der sich alle sichtbaren und hörbaren Dinge entfernt hatten?
Dieser Gedanke ließ sie noch heftiger frösteln. So oft hatte sie sich in Wolscroft gewünscht, sie wäre allein, und von einem einsamen Leben geträumt... Irgendwo in der freien Natur würde sie einem Falken gleichen, niemals von Menschenhand
gezähmt. Außer ihrem Zwillingsbruder Thurlow hätte sie niemanden vermisst und sich von vielen Leuten nur zu gern für immer verabschiedet. Das hatte sich inzwischen geändert. Jetzt sehnte sie sich nach Dragon, nach dem Klang seiner Stimme, seiner Berührung, der Wärme seines Lächelns. Für ein paar Sekunden senkte sie die Lider und sah ihn vor ihrem geistigen Auge. Diese Vision gab ihr neue Kraft, und sie erhob sich. Langsam und vorsichtig würde sie einen Fuß vor den anderen setzen. Hier wollte sie nicht länger ausharren.
Nach einigen Schritten bemerkte sie, wie seltsam steif sich ihre Hände anfühlen. Verwirrt blieb sie stehen und hielt ihre Finger hoch. Durch wirbelnde Nebelschleier sah sie schwarze Streifen auf ihrer hellen Haut, roch daran, und der beißende Geruch von Pech füllte ihren Atem.
Pech?
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