Wikinger meiner Traeume - Roman
Benommenheit, die sie erfüllte wie der Nebel das schwindende Tageslicht im Hof. Und hinter den wirbelnden Schleiern in ihrem Innern würde sie einen wichtigen Teil ihres Ichs verstecken.
»Rycca...«
Aus diesen Tiefen tauchte sie nur weit genug auf, um zu merken, dass Dragon mit ihr sprach. Seine Worte verstand sie nicht.
»Ich habe dich gefragt, was geschehen ist.«
»Das sagte ich bereits«, erwiderte sie leise. Undeutlich hörte sie ihre eigene Stimme im Nebel.
»Du hast mir erzählt, jemand sei im Stall über dich hergefallen. Den Angreifer konntest du nicht sehen. Du bist ohnmächtig geworden. Dann kamst du zu dir, meilenweit von Landsende entfernt.«
Als sie nickte, gewann sie den Eindruck, unsichtbare Fäden würden ihren Kopf auf und ab bewegen.
»An deinen Händen klebt Pech.«
Langsam hob sie ihre Finger, die jemand anderem zu gehören schienen. Ringsum erklang gedämpftes Stimmengewirr.
»Wie ist das Pech auf deine Hände geraten?«
»Keine Ahnung.« Wer ihr Ehemann war, wusste sie auch nicht mehr. Vergeblich suchte sie sich an die spielerische Intimität der gemeinsamen Nächte zu erinnern, an die Liebeslust in seinen Armen, die ihr jene himmlische Freiheit geschenkt hatte. Das alles verschwand in Nebelwolken.
»Hast du keine Erklärung dafür?« Dragon runzelte die
Stirn und erregte wieder Ryccas Mitgefühl. Aber es verflog sofort, vom Grauen dieses Augenblicks verscheucht.
Nun steckte sie in einer grässlichen Klemme. Wie sollte sie ihre Unschuld beweisen, wenn alles gegen sie sprach? Der Nebel hatte die Ereignisse verhüllt, niemand konnte ihre Entführung aus dem Stall und den Brandstifter beobachtet haben. Offenbar hatte er seine Unsichtbarkeit genutzt.
Entschlossen hob sie den Kopf. Sie fror immer noch. Aber die innere Kälte war viel schlimmer. Dagegen musste sie kämpfen, damit ihr die Stimme gehorchte. »Ich habe es nicht getan. An keinem dieser schrecklichen Anschläge bin ich schuld.«
»Das würde ich dir gern glauben. Leider sind die Beweise eindeutig.«
»Keineswegs.« In ihrer Verzweiflung verriet sie, was sie lieber geheim gehalten hätte. »Da ich stets die Wahrheit erkenne, bin ich zur Lüge unfähig.«
Wieder erklang lebhaftes Gemurmel. So etwas hatten die Bewohner von Landsende noch nie gehört, und nun gaben sie verschiedene Kommentare ab.
»Seid still!«, befahl Dragon, stand auf und ging zu Rycca. »Davon hast du mir erzählt. Aber wie soll ich feststellen, ob es stimmt?«
»Von Anfang an wusste ich, dass Olav den Diebstahl nicht begangen hatte...«
»In jenem Fall zog ich meine eigenen Schlüsse, unabhängig von deiner Aussage. Ich verdächtigte Trygyv sofort der Lüge und nahm an, er hätte den Kelch heimlich verschwinden lassen. Und dann fand ich die Beute im Meer, in seiner Reichweite. Mit deinem angeblichen Talent, stets die Wahrheit herauszufinden, hatte es nichts zu tun.«
Jetzt raubte er ihr die letzte, schwache Hoffnung. Wenn er an dieser Fähigkeit zweifelte, die untrennbar mit ihrem Wesen verbunden war – wie sollte er ihr jemals glauben? »Und
die Schlangen, die ich sah?«, würgte sie hervor. »Irgendetwas müssen sie bedeuten.«
»Schlangen, die einander fressen? Wen stellen sie dar, Lady? Ich weiß, du hasst die Wikinger. Daraus hast du keinen Hehl gemacht. Ist die eine Schlange ein Norweger – und die andere der englische König? Entsinnst du dich, wie freimütig du über Alfreds Tod gesprochen hast?«
»Warum drehst du mir das Wort im Mund herum? Wie kannst du mir das antun?«
»Erklär doch, was du mir antust.«
Angespannt wartete er auf Ryccas Antwort. Während sie beharrlich schwieg, suchte er erfolglos nach Mitteln und Wegen, um ihre Unschuld zu beweisen. Also musste er sie bestrafen... Nein, daran wollte er nicht denken. Jetzt noch nicht. Und wenn er keine Wahl hatte?
Wäre er doch ein Skalde, der ungehindert durch die Welt wandern und nach Belieben irgendwelche Geschichten erfinden konnte...
Aber er war ein Jarl, und seine Leute erwarteten, dass er seine Pflicht erfüllte. Er wollte ihnen mitteilen, vorerst würde er Rycca in seinem Haus einsperren, bis es an der Zeit wäre, ein Urteil zu fällen. Doch dann beobachtete er, wie sie einen Blick auf Magnus warf und hastig wegschaute, als würde sie vor ihm zurückschrecken. Magnus? Seit seiner Kindheit kannte er ihn. Der Mann hatte ihm stets treu gedient. Und Rycca war ihm offensichtlich aus dem Weg gegangen. Warum?
Wenn sie tatsächlich die Wahrheit erkannte – wenn sie glaubte,
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