Wikinger meiner Traeume - Roman
Magnus wäre nicht vertrauenswürdig...
Unsinn, er versuchte sich nur an rettende Strohhalme zu klammern, die es gar nicht gab. Wenn sie unschuldig war, musste jemand anderer die Missetaten begangen haben – jemand, der den Jarl und sein Volk gegen die Angelsächsin einnehmen, die Ehe zerstören und das mühsam errungene, für den Frieden so wichtige Bündnis untergraben wollte.
Sollte eine solche Person tatsächlich existieren, musste Dragon sie aufspüren. Sonst würde er zu viel aufs Spiel setzen.
Könnte er doch unter vier Augen mit seiner Frau reden, ihr erklären, was er dachte, was er plante... Aber seine Leute beobachteten ihn und warteten.
Schweren Herzens begann er zu sprechen. »Ich lasse dich an den Marterpfahl binden, Rycca. Daran bleibst du gefesselt, bis du bereit bist, aufrichtig und in allen Einzelheiten zu schildern, was du getan hast.«
Entsetzt rang sie nach Luft – unfähig, ihren Ohren zu trauen. Das schien auch den Zuhörern schwer zu fallen. Nur wenige nickten zustimmend. Die meisten starrten den Jarl bestürzt an.
Scheinbar angewidert, wandte sich Dragon von Rycca ab und gab Magnus einen Wink. »Kümmere dich darum. Bedenk bitte, sie ist meine Frau, und sie darf nicht verletzt werden. Aber es muss geschehen. Verstehst du?«
»Ja, natürlich«, beteuerte Magnus hastig. Seine Miene wirkte bedauernd, aber auch entschlossen, als er zu Rycca eilte. »Folgt mir, Mylady.«
Vor Angst halb benommen, konnte sie sich nicht zu einem Protest durchringen. Ein letztes Mal schaute sie Dragon an, der ihrem Blick auswich und Magnus beobachtete. Der getreue Stellvertreter ergriff ihren Arm und führte sie aus der Halle. Trotz der Nebelschleier im Hof fand er mühelos den Weg zum Marterpfahl. Schaudernd blieb Rycca davor stehen. Dieser Anblick weckte grausige Erinnerungen an einen ähnlichen Pfosten in Wolscroft, an die Qualen, die so mancher Verurteilte erlitten hatte, hilflos an das harte Holz gefesselt. In Landsende musste sie schon hundertmal an dem Pfahl vorbeigegangen sein – und sie hatte ihn gar nicht bemerkt, weil ihr hier alles ganz anders erschienen war.
Welch ein Irrtum... Sie hörte die Stimmen der Leute, die
aus der Halle in den Hof eilten. Im Nebel wirkten sie wie dunkle Geister vor dem Hintergrund einer leeren Welt. Ein Strick hing am Pfosten, und Magnus griff danach. »Reicht mir Eure Hände, Mylady.«
Da ihr nichts anderes übrig blieb, gehorchte sie. Ihr Stolz verbot ihr eine sinnlose Gegenwehr. Fester als nötig schlang Magnus den Strick um ihre Handgelenke. In seinen Augen las sie wilden Triumph. Diesen Ausdruck maskierte er sofort. Doch sie wusste, was sie gesehen hatte, und wich vor ihm zurück. Ihr Rücken drückte sich an den Pfosten. Nun war der Nebel ihr Freund. Mochte sie in seiner feuchten Kälte auch frieren – er schützte sie vor neugierigen Blicken. So viele Leute drängten sich im Hof, um die Demütigung der Angelsächsin zu beobachten. Doch sie ließ sich nicht erniedrigen. Hoch erhobenen Hauptes würde sie erdulden, was ihr zugemutet wurde. Sie hatte ohnehin keine Wahl. Und sie konnte sich nur noch an ihren Stolz klammern.
Nach einer Weile beschloss sie, sich zu setzen. Das war nicht ehrlos und einem Zusammenbruch vorzuziehen. Seit dem Haferbrei am Morgen hatte sie nichts gegessen. Trotzdem würde sie keinen Bissen hinunterbringen. Sie sank zu Boden. Zitternd zog sie ihren feuchten Rock enger um die Beine.
Der Jarl – in ihren Gedanken nannte sie ihn nicht mehr Dragon – hatte angekündigt, sie würde an diesem Pfahl ausharren müssen, bis sie bereit sei, ihre Taten aufrichtig zu schildern. Was geschehen war, hatte sie ihm bereits erzählt. Aber er glaubte ihr nicht.
Wie lange würde sie ihre Gefangenschaft ertragen? Der nächtlichen Kälte ausgeliefert, ohne jene Privatsphäre, die sie für die einfachsten menschlichen Bedürfnisse brauchte, öffentlich gedemütigt... Um sich zu wärmen, presste sie ihre gefesselten Arme an die Brust. Doch sie sehnte sich nach anderen Armen – nach starken Armen, die ihr nur ein flüchtiges
Glück geschenkt hatten. In ihren Augen brannten Tränen, die sie ärgerlich wegwischte.
Etwas später tauchte Magda aus dem Nebel auf und brachte ihr mehrere Decken, eine Schüssel mit einem dampfenden Eintopf und einen Krug Wasser. Fürsorglich hüllte sie Rycca in warme Wolle und drückte ihr einen Löffel in die Hand. »Esst, Mylady. Bald komme ich wieder und binde Euch los, damit Ihr Eure Notdurft verrichten könnt.«
»Oh –
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