Wikinger meiner Traeume - Roman
Nachdenklich nickte Alfred. »Also gut, ich lasse Vater Elbert und Lady Daria hierher bringen, und wir werden sie ins Verhör nehmen.«
»Vielleicht solltet Ihr auch Wolscroft nach Winchester beordern, Sire«, schlug Dragon vor und tastete nach dem Griff seines Schwerts.
»Zu welchem Zweck? Ich glaube an Lady Ryccas Talent, und ich möchte sie nicht zwingen, den eigenen Vater zu beschuldigen. Außerdem – wenn sie ihn bei einer Lüge ertappt, würde ihre Aussage seine Hinrichtung in den Augen meiner Ritter noch nicht rechtfertigen. Denn dazu bedarf es einiger anderer Beweise.«
Erleichtert atmete Rycca auf. Sie hatte inständig gehofft, ihren Vater nie wieder zu sehen. Aber allmählich fürchtete sie, dieser Wunsch würde sich nicht erfüllen. »Also befragen wir nur den Priester und Lady Daria – dann wissen wir wenigstens, ob diese beiden die Wahrheit erzählen.«
Drei Tage lang fand sie Zeit, um zu überlegen, welche Tatsachen sie wohl herausfinden würden. In dieser Zeit ließ Dragon sie nur selten aus den Augen.
Er begleitete sie sogar ins Sonnenzimmer der Königin, nur um von Ealhswith hinausgeschickt zu werden. Doch sie versicherte ihm lächelnd: »Keine Bange, Lord Dragon, bei mir ist Eure Gemahlin in Sicherheit. Niemals würde ein Übeltäter in die Gemächer der Königin eindringen.«
»Schön und gut, Majestät, aber...«
»Falls Ihr es nicht wisst – letztes Jahr wurde Lady Krysta aus Winchester entführt. Seit damals sorgt mein Gemahl dafür, dass so etwas nie wieder geschehen kann.« Sie wies auf die Wachtposten, die mit grimmigen Mienen im Flur standen. »Auch unterhalb meiner Fenster werdet Ihr bewaffnete Krieger sehen, Lord von Landsende. Sogar auf dem Dach. Nicht einmal ein verirrter Vogel wird hier hereinflattern.«
Noch während sie sprach, sah Dragon einen Raben auf einem Fenstersims des Sonnenzimmers landen. Seltsam, dachte er und beobachtete, wie Krysta zu dem Vogel ging und ihm etwas zuflüsterte.
»Im Skriptorium findet Ihr vier neue Bücher, Lord Dragon«, fügte die Königin hinzu, ohne zu merken, was hinter ihr geschah. »Und Ihr werdet auch einen jungen Priester antreffen, der mit Vater Desmond befreundet ist, dem Hausgeistlichen von Hawkforte. Eines dieser Bücher ist sein Werk. Außerdem hofft er inständig, eines Tages zu verreisen und eine neue Welt kennen zu lernen.«
Mit diesen Worten schloss sie die Tür vor seiner Nase, so nachdrücklich, wie es einer vornehmen Dame gerade noch erlaubt war. Er starrte die Wächter an, die seinen Blick ausdruckslos erwiderten. Immerhin befinde ich mich im Palast eines Königs, sagte er sich und beschloss, das Skriptorium aufzusuchen. Vielleicht würde ihn ein Gespräch mit dem Priester halbwegs interessieren.
Drei Tage später bereitete ein verblüffter, überglücklicher Vater Thomas seine Reise in den legendären Norden vor, wo er ein Skriptorium einrichten sollte. Bereitwillig hatte Lord Dragon seiner Bitte um Pergament, Federkiele und Tintenfässer zugestimmt. Und nun eilte der gute Priester durch ganz Winchester, um eine geradezu horrende Summe für diese Utensilien auszugeben. Und so war er der Erste, der die Gefangenen ankommen sah. Von seiner erfreulichen Aufgabe voll und ganz beansprucht, nahm er dieses Ereignis kaum zur Kenntnis.
Umso aufmerksamer verfolgte Rycca die Geschehnisse. Durch ein Fenster des Sonnenzimmers beobachtete sie einen bewaffneten Konvoi, der zwei Reiter auf dem Weg zum Palast umzingelte. Beklommen konzentrierte sie sich auf die unmittelbar bevorstehende Begegnung mit Lady Daria und Vater Elbert.
Eine Viertelstunde später wurde sie in die Haupthalle gerufen.
»Da sind sie«, verkündete Dragon, ergriff ihren Arm und zog sie zu sich heran.
Wortlos nickte sie und betrachtete die beiden Neuankömmlinge, die immer noch von Wachtposten umringt wurden. Der Mann trug das Gewand und die Tonsur eines Priesters. Doch das Licht des Glaubens strahlte er nicht aus. Das Gesicht aschfahl und verhärmt, mit hängenden Schultern, schaute er sich ängstlich um. Nach einem kurzen Blick in die Richtung seiner Mitgefangenen kehrte er ihr den Rücken. Falls Lady Daria Notiz von ihm nahm, ließ sie sich nichts anmerken. Groß und hager, in schlichter Kleidung, hielt sie den Kopf hoch erhoben und lächelte. In ihren Augen las Rycca kalte Bosheit.
Wolf und Cymbra betraten die Halle. Nach wenigen Schritten hielt er sie am Arm fest, blieb stehen und sagte etwas, das Rycca nicht verstand. Cymbra schüttelte den Kopf, holte
Weitere Kostenlose Bücher