Wikinger meiner Träume
»Ich sorge mich um Dragon, weil er sich weigert, über meinen Vater zu reden - und mir nicht verrät, was er geplant hat. Allmählich fürchte ich, er will irgendetwas auf eigene Faust unternehmen.«
Die zwei Schwägerinnen wechselten einen kurzen Blick. Dann entgegnete Cymbra in ruhigem Ton: »Dein Instinkt trügt dich nicht. Nach allem, was dir angetan wurde, kocht Dragon vor Wut. Als ich ihn in Landsende wieder sah, glaubte ich vor einem Feuer speienden Berg zu stehen.«
Trotz der Saunahitze fröstelte Rycca. »Meinetwegen hätte er fast sein Leben verloren. Wenn er noch einmal in tödliche Gefahr geriete - das würde ich nicht verkraften.«
Eine Zeit lang schwiegen sie. Nur das knisternde Feuer und der zischende Dampf durchbrachen die Stille. Schließlich meinte Cymbra: »Wir alle sind mit außergewöhnlichen Männern verheiratet. Irgendetwas haben sie an sich - was, kann ich nicht genau erklären... Krysta, hast du Rycca von Thorgold und Raven erzählt?«
Krysta schüttelte den Kopf. »Dafür hatte ich noch keine Zeit.« Zu Rycca gewandt, fuhr sie fort: »Thorgold und Raven sind meine Freunde - und ein bisschen seltsam.« Darüber musste ihre Schwägerin lachen, womit sie sich einen tadelnden Blick einhandelte. »Wie es geschah, weiß ich nicht. Jedenfalls konnte ich sie in meiner Kindheit zu mir rufen -als ich sie dringend brauchte.«
Lächelnd ergänzte Cymbra: »Diese Fähigkeit wurde ihr in die Wiege gelegt - so wie mir die Fähigkeit, die Gefühle anderer zu empfinden, und dir die Erkenntnis der Wahrheit, Rycca. Findest du's nicht merkwürdig, dass drei ungewöhnliche Frauen mit drei einzigartigen Männern verheiratet sind, die ein gemeinsames Ziel anstreben, ihren Völkern Frieden zu schenken?«
Rycca starrte Krysta, von deren besonderer Gabe sie erst jetzt erfahren hatte, verwundert an. »In der Tat - das ist bemerkenswert.«
»Sicher ist es kein Zufall«, betonte Cymbra. »Dafür muss es einen Grund geben. Ich glaube, es ist unsere Bestimmung, unseren Männern beizustehen. Mit unserer Hilfe soll sich der Traum vom Frieden in Wirklichkeit verwandeln.«
»Welch ein interessanter Gedanke!«, rief Krysta voller Begeisterung.
Rycca nickte und sagte leise: »Gesegnet sind die Friedensstifter.«
»Und allem Anschein nach sind diese bedauernswerten drei Männer mit uns gesegnet«, scherzte Cymbra. »Also mach dir keine Sorgen um Dragon, Rycca, wir werden ihn beschützen.«
Nun brachen sie in Gelächter aus - drei Frauen, durch besondere Talente und innige Freundschaft miteinander verbunden. Ringsum stieg Dampf auf, der sie abwechselnd verbarg und enthüllte.
Als sie die Hitze nicht mehr ertrugen, standen sie auf, wickelten sich in große Badetücher und verließen die Sauna. Durch die Abenddämmerung rannten sie zum Fluss und tollten im kühlen Wasser umher. Unter den Sternen lachten sie wieder.
Schließlich kehrten sie in die Festung zurück, wo bereits die Fackeln brannten. Sie zogen sich hastig an, eilten in die Halle und begrüßten ihre Ehemänner - Schönheit und Anmut begegneten Kraft und Macht. Nachdem sie an der Tafel Platz genommen hatten, wurde Wein eingeschenkt und eine köstliche Mahlzeit serviert. Fröhliche Musik erklang. Bis in die Nacht hinein dauerte das Wiedersehensfest.
Der Mond stand hoch am Himmel, als sie in ihre Betten sanken. Viel zu schnell brach der Tag an.
Zu Mittag wechselten die Gezeiten. Hawks Flotte schloss sich den Schiffen mit den Wolfs-und Drachenemblemen an. Gemeinsam segelten sie zur Stadt des Königs.
Rycca erinnerte sich nur vage an Winchester. In ihrer Kindheit hatte sie die Stadt ein einziges Mal besucht. Umso deutlicher entsann sie sich, wie sie verstohlen durch das Skriptorium gewandert war, das zum königlichen Palast gehörte. Fasziniert hatte sie die Mönche an ihren Schreibpulten beobachtet und beschlossen, lesen zu lernen. Jahrelang war diese Fähigkeit ihr einziger Stolz gewesen.
Jetzt nicht mehr. Beglückender Stolz auf die Ehe mit Dragon erfüllte ihr Herz. An seiner Seite ritt sie die breite, schnurgerade Straße entlang, die zum Palast führte. Zahlreiche Schaulustige eilten herbei und starrten die Krieger mit den grimmigen Mienen an. In wohlgeordneten Reihen folgten sie den mächtigen Lords, deren Namen sich sofort herumsprachen. Hawks Banner kannte man in Winchester. Mit lautem Jubel wurde er empfangen. Aber die legendären Wikinger sah man zum ersten Mal in der Stadt des Königs. Während die Jarls von Sciringesheal und Landsende an der
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