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Wikingerfeuer

Wikingerfeuer

Titel: Wikingerfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shirley Waters
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beiden allerdings eindeutig weibliche Formen hatten, konnte sich der Mann nicht erklären … Hatten die Römer tatsächlich Frauen gegeneinander antreten lassen?
    Rúnas Anblick draußen auf dem Dorfplatz erinnerte Rouwen an diese Begebenheit. Er hatte den Tisch des Seidmanns an die Wand unterhalb des Rauchlochs geschoben und war darauf gestiegen. Ein wenig musste er sich ducken, da er mit dem Kopf gegen die Strohdecke stieß. Das herabhängende Stroh behinderte seine Sicht, sorgte aber auch dafür, dass niemand ihn bemerkte.
    Rúna stand auf einer Seite des Dorfplatzes. Ein Kettenhemd schmiegte sich an ihre Brüste. Darunter trug sie eine ärmellose, gepolsterte Tunika. Das Götzenamulett – Thors Hammer – schmückte ihren Hals, Reife zierten ihre schlanken Arme. Muskeln und Sehnen spielten unter der hellen Haut. Der Haarzopf saß wie eine eingeringelte Schlange auf ihrem Kopf. Die Mittagssonne fing sich darin und ließ ihn wie Gold glänzen. Rouwen konnte sich nicht sattsehen an ihrem Gesicht mit den blitzenden Augen und den gerunzelten Brauen. Nicht an ihrer wohlgeformten Gestalt und den langen Beinen in der eng sitzenden Lederhose. Und schon gar nicht an ihren nackten Füßen mit den Zehenringen.
    Von seiner Position aus konnte er einen Teil des Dorfplatzes überblicken. Das Langhaus des Häuptlings mit dem großen Adler auf dem First erhob sich auf der anderen Seite. Linkerhand schmiegten sich kleinere Häuser in den Hang, teils wirkten sie wie unterirdisch errichtet. Und rechts standen Schuppen und ein Pferdestall. Ein Teil des Platzes war mit Stöcken abgesteckt und mit Stolperfallen wie Steinen und knorrigen Ästen ausgelegt. Dort umkreisten sich Rúna und Yngvarr mit stumpfen Schwertern. Etliche Yoturer, Männer sowie Frauen und Kinder, ließen ihre Arbeit ruhen und sahen ihnen zu, Anfeuerungsrufe hallten über den Platz. Auch Baldvin war unter den Zuschauern. Der Zwerg hatte die Pranken in die Seiten gestemmt. Seine Miene wirkte hochzufrieden. Er schien vor Stolz auf sein Töchterlein geradezu platzen zu wollen.
    »Rúna, los, ziele auf seine Knie!«, rief eine Frau.
    »Nein, auf sein Gemächt!«, kam es von einer anderen, eine Bemerkung, die ihr von den Frauen Beifall und Gelächter und von den Männern Pfiffe einbrachte.
    »Versohl ihr den Hintern, Yngvarr!«, forderte Haakon Steinriese nuschelnd, dessen gebrochene Nase immer noch angeschwollen war.
    Rúna lachte.
    »Zeig ihr, wie ein Mann kämpft!«, rief er dann.
    Ihr Lachen erstarb. Mit beiden Händen schwang sie das Schwert und ließ es auf Yngvarrs Klinge niedersausen.
    Auch der ungehobelte Wikinger war ein beeindruckender Anblick: Zwei schmale Zöpfe waren in sein langes blondes Haar eingeflochten, das wie die Mähne eines galoppierenden Pferdes auf und nieder flog. Seine muskulösen Arme waren ebenfalls mit silbernen und goldenen Reifen verziert. Statt eines Kettenhemdes trug er ein ledernes Wams, und an seiner Hüfte steckte eines von Rouwens Messern in einer Scheide. Seine Stiefel aus dunklem Hirschleder wirkten wie von einem Meister gemacht.
    Man musste zugeben, dass die beiden gut zueinander passten.
    Rúnas Füße tanzten über die Hindernisse so geschickt wie die eines Rehs, das über Stock und Stein setzte, um dem Wolf zu entkommen. Ab und zu holten die Zuschauer geschlossen Atem, wenn sie einem scharfkantigen Stein zu nahe kam oder sich ihre Füße in einem Zweig zu verfangen drohten. Doch sie strauchelte nie. Ebenso wenig wie Yngvarr. Er trat einfach nieder, was ihm in den Weg kam, oder stieß einen lästigen Stein beiseite.
    »Höher halten, Rúna«, ermahnte er sie, oder: »Gib auf deine Deckung acht, ich hätte deinen Oberschenkel eben böse aufschlitzen können.« Dann presste sie die Zähne zusammen und verstärkte ihre Bemühungen, was ihr neuerlichen Beifall einbrachte.
    Rouwen musste anerkennen, dass Yngvarr sein Handwerk verstand. Gegen diesen Mann zu kämpfen, wäre für niemanden ein Spaziergang. Rúna war schnell und geschickt – doch würde Yngvarr ernst machen, wäre sie sofort besiegt.
    Ein leiser, doch drängender Ruf drang an Rouwens Ohren. Zunächst vermochte er ihn nicht einzuordnen. Verwirrt presste er das Gesicht noch näher an die Öffnung. Er erkannte, dass seine Wächter samt und sonders auf diese Seite des Hauses gegangen waren, angelockt von dem Kampf.
    »Herr Ritter, Herr Ritter!«
    Die Stimme war hell und leise. Arien? Er lauschte. Der Ruf kam von der Rückseite der Seidmannshütte. Rouwen sprang vom Tisch

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