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Wikingerfeuer

Wikingerfeuer

Titel: Wikingerfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shirley Waters
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nicht länger anzusehen als all die anderen Anwesenden. Heiliger Cuthbert – wie schön sie war! Schön und gefährlich wie ein Cherub, der den Weg in den Garten Eden bewachte. Brauchte dieser kriegerische Engel wirklich Unterricht?
    »Kettet ihn los«, befahl Baldvin.
    Yngvarr runzelte die Stirn. Doch bevor er Einwand erheben konnte, hatte Sverri sich schon gebückt und schloss die Fußfessel auf. Zugleich schnitt jemand hinter Rouwen die Lederschnur durch. Rouwen rieb sich die Handgelenke.
    Baldvin schlug die Hände auf die Lehnen seines derb gefertigten und mit Fellen ausgelegten Stuhls und stemmte sich hoch. Der Stuhl stand auf einem Podest; so überragte der Zwerg seine Männer. Ein Schwert hing an seinem Gürtel. Er umfasste den Griff.
    »Du bist stark, Christ, standhaft, und du achtest Schwüre«, sagte er.
    »Ja«, erwiderte Rouwen vorsichtig. Hoffentlich standhaft genug für das, was jetzt kommt .
    Der Gedanke war noch in seinem Kopf, als Baldvin mit einer überraschenden Geschwindigkeit, die er diesem Zwerg niemals zugetraut hätte, das Schwert aus der Scheide riss, die zwei Stufen des Podest hinunter und auf ihn zu stürmte. Rouwen zuckte im selben Moment zurück, als der Häuptling die Klinge schwang; ihre Spitze fuhr dicht an seinem Gesicht vorbei.
    Baldvin drehte sich, als zöge ihn das Gewicht der Waffe herum. Doch schon im nächsten Moment stand er wieder dicht vor Rouwen. Seine Faust umschloss die Klinge an der Fehlschärfe dicht oberhalb der Parierstange. Der Griff war frei und ragte wie eine Einladung vor Rouwen auf.
    Rouwen stand ruhig da. Er bewegte keinen Muskel, er ballte nicht einmal die Fäuste. Die Männer hielten den Atem an. Rúnas Augen waren groß. Sie war so überrascht wie er.
    Schließlich trat Baldvin einen Schritt zurück. Ein deutliches Aufatmen ging durch den Raum. Er musterte Rouwen von oben bis unten, dann nickte er anerkennend.
    »Du bist standhaft. Beherrscht. Und du hältst dich an das, was du Runa geschworen hast: dass du dich nicht wehrst. Andernfalls hättest du die Gelegenheit genutzt und das Schwert aus meiner Hand gerissen.«
    »Das war leichtsinnig, Herr«, murmelte Yngvarr.
    Baldvin grinste. »Ach, ich war mir eigentlich sicher. Einer wie er will zwar lieber im Kampf sterben als den braven Gefangenen zu spielen. Aber der Schwur ist ihm wichtiger.«
    Er machte kehrt, schien noch einmal innezuhalten – wie um Rouwen eine letzte Gelegenheit zu geben, ihn doch noch anzufallen. Dann ging er zum seitlich stehenden Esstisch, umrundete ihn und ließ sich nieder. Rouwen entnahm seiner einladenden Geste, dass er sich dazugesellen durfte. Vielmehr sollte. Was zum Teufel ging hier vor?
    Ein Dutzend Augenpaare starrten ihn an, als er sich Baldvin gegenüber auf die Bank setzte. Die Männer blieben stehen, wo sie waren. Nur Runa trat an die Seite ihres Vaters. Flüchtig strich er über ihren Unterarm und lächelte.
    »Met!«, rief er. Sofort kam eine Frau angelaufen; es musste Juta, seine zweite Frau sein, denn sie trug den Hausschlüssel am Silbergürtel. Sie überblickte sofort die Lage und brachte zwei bis zum Rand gefüllte Trinkhörner.
    Baldvin schob eines in seiner bronzenen Halterung über den Tisch.
    Was, zum Teufel …?
    »So«, begann er, nachdem er selbst einen Schluck genommen und sich wohlig aufseufzend über den Bart gestrichen hatte. »Du wunderst dich, was?«
    »Allerdings.«
    »Nun, ich kam zu dem Schluss, dass es sinnlos ist, dir deines Vaters Namen und den deines Heimatortes zu entreißen. Denn dann säßen wir ja noch hier bis zum Tag der Götterdämmerung. Es sei denn natürlich, wir hätten dich vorher umgebracht. Aber das wäre ein Verlust. Ich habe stattdessen etwas anderes mit dir vor.«
    Rouwen ergriff sein Trinkhorn. Der Met war süß und stieg einem schnell zu Kopf. Wie Runas Kuss, ging es ihm durch den Kopf, während er flüchtig zu ihr aufsah. Ihr Blick war grimmig. Anscheinend zürnte sie ihm noch immer wegen seiner Zurückweisung.
    »Zuerst lass mich dir eine Geschichte erzählen.« Baldvin legte einen Ellbogen auf den Tisch und neigte sich vor. Mit der anderen Hand befingerte er einen goldenen Ring an seinem Ohr. »Ich hatte ein Weib, Ingvildr. Sie war die Mutter meiner Kinder …«
    »Vater, er weiß das alles. Einiges von mir, und den Rest von Athelna«, mischte sich Runa ein.
    »Dann kann ich mir die Mühe ja sparen; ich bin sowieso kein guter Geschichtenerzähler. Also, Engländer, sperr die Ohren auf: Ich will, dass du mir bei meiner Rache

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