Wikingerfeuer
hilfst.«
Rouwen hörte in seinem Rücken, wie die Männer nach Luft schnappten. Er selbst stieß hart den Atem aus. »Warum das?«
»Aus mehreren Gründen. Zum Einen: Ich bin nicht mehr der jüngste. Zum Zweiten: Du kennst Land und Leute besser als wir. Drittens: Du bist ungewöhnlich stark. Viertens: Du wirst belohnt werden, mit deiner Freiheit und deinem Eigentum.«
Die Männer begannen leise miteinander zu tuscheln. Es war Yngvarr, der sich aus ihren Reihen löste und an die Seite des Tisches trat. »Herr! Überlass ihn mir, und du hast morgen alles, was es über ihn zu wissen gibt. Alles!«
Mit einer ärgerlichen Handbewegung wies der Häuptling ihn an, wieder zurückzutreten. »Einen Toten hätte ich! Und jetzt Maul halten, bei Odin!« Seine Faust donnerte auf die Tischplatte, sodass sein Trinkhorn zu kippen drohte. »Und zum Letzten«, brüllte er in Rouwens Richtung. »Du wirst es tun, weil Athelna ansonsten stirbt!«
Schlagartige Stille.
Auch Rouwen blieb der Mund offen stehen. Das konnte er nicht ernst meinen.
Es war Rúna, die sich als erste wieder fing. »Vater, was …«
»Die Standhaftigkeit dieses Mannes, meine Tochter, ist unser Vorteil«, unterbrach Baldvin ihre Frage. »Er wird bei seinem Gott schwören, dass er uns hilft, uns gehorcht und sich nicht gegen uns stellt. Auf das heilige Buch der Christen wird er schwören; Stígr hat doch so eines da. Und schwören wird er, weil andernfalls Athelna unten am Kliff an den Pfahl gebunden wird. Er hat ihr geschworen, dass er ihr beistehen wird. So war’s doch, Sverri, oder? Du hast die beiden gehört?«
»Ja, Herr«, ertönte es aus den Reihen der Männer.
Rouwen schüttelte unwillig den Kopf. Verdammt! Verdammt! Verdammt! Diese verdammten Schwüre …
Sichtlich zufrieden lehnte sich Baldvin zurück. »So wie ich das sehe, Engländer, hast du keine andere Wahl. Nun, was sagst du dazu?«
Rouwen schwieg. Er musste diese neue Wendung erst verdauen. Und vor allem brauchte er Zeit, um sich zu überlegen, wie er verhindern konnte, noch so einen verdammten Schwur zu leisten.
»Stígr, hol das Buch«, befahl Baldvin.
Der Alte gehorchte und kehrte bald darauf mit der Bibel zurück, die er auf den Tisch legte. Baldvin legte die Pranken darauf.
»Diese Sache ist nicht einseitig.« Er klang freundlich. »Ich werde auch schwören. Auf meine Weise.«
Auf seine Geste hin löste der Seidmann den Beutel an seinem Gürtel und holte einige Stäbe heraus. Fremdartige Zeichen waren darin eingeritzt. Sein fast kahler Kopf mit der vorspringenden Nase erinnerte an die Geier, die über dem Schlachtfeld von Hattin gekreist hatten. Der Zauberer ließ die Augen rollen, brummelte Unverständliches in sich hinein und rollte die Stäbe. Schließlich warf er sie auf den Tisch, wo sie übereinander liegenblieben.
»Die Götter heißen deine Entscheidung gut«, krächzte er.
Als Christ und Mönch empfand Rouwen vor diesem Mummenschanz geradezu Ekel. Das wurde nicht besser, als Baldvin ein kleines Messer zog und seine Handfläche ritzte. Er ballte über den Stäben die Faust. Blut tropfte einen Moment später heraus.
»Ich schwöre bei Allvater Odin und bei Thor dem Donnerer, dass ich dich mit deiner Freiheit und mit Beute belohnen werde, wenn du deinen Teil der Abmachung erfüllst. Ich schwöre, dass Athelna freigelassen wird, wenn wir wieder zurück sind – mit dem Kopf dieses verdammten Mönchs im Gepäck.«
Mit der anderen Hand schob er auffordernd die Bibel über den Tisch.
Heiliger Cuthbert , dachte Rouwen, immer noch fassungslos. Ich brauche Zeit zum Nachdenken …
Andererseits gab es nichts zu überlegen. Um Athelnas willen musste er es tun. Und um seinetwillen. Würde er ablehnen, so würde Yngvarr sich die Hände reiben. Und morgen wäre er um seine Haut ärmer.
Er legte die Rechte auf die Bibel und spreizte die Finger. »Ich schwöre bei Gott und seinem Wort, dass ich dir bei deiner Rache helfen und mich nicht gegen euch wenden werde.«
Er würde also einen Mönch ans Messer liefern. Einen Bruder im Herrn. Vermutlich würde er dafür in die Hölle kommen. Oder schon vorher, sollte Baldvin erfahren, dass er selbst auch ein Mönch war …
»Du hustest seit gestern weniger«, bemerkte Rúna. Sie hockte auf ihrem fellbedeckten Bett in ihrer Kammer und bürstete sich die langen Haare. Das half ihr, sich zu entspannen. Arien saß bei ihr und versuchte sich am Schnitzen des Eichhörnchens Ratatöskr, das der Sage nach auf dem Weltenbaum Yggdrasil
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