Wikingerfeuer
schnappen!« Sie ließ Falkenkralle vorschnellen, zielte auf seinen linken Oberschenkel, doch auch diesen Stoß fing er ab; ihre Klinge glitt mit unangenehmem Kreischen an seiner entlang, als er sie ablenkte. Bevor sie irgendetwas tun konnte, schlug er mit der Klingenspitze nach ihrem Arm. Rúna hörte, wie die Männer nach Luft schnappten und eine der Zuschauerinnen erschrocken aufschrie.
Doch er hatte auf einen ihrer Schmuckreife gezielt. Den zierte jetzt ein Kratzer, aber sie selbst war unverletzt.
Sie trat zwei Schritte zurück und hob kampfbereit das Schwert. Ihr Blick flog über seinen Körper, suchte einen neuen Angriffspunkt. Sie war davon überzeugt, ihm gefährlich werden zu können. Beim Kampf in der Halle hatte sie ihn doch beeindrucken können? Sie hatte ihm sogar einen Schnitt auf dem Handrücken zugefügt. Eine lächerlich kleine Wunde zwar, ein Kratzer nur – doch selbst dies schien heute undenkbar.
Wie mochte er kämpfen, wenn er alle Zurückhaltung fahren ließ?
»Du musst den Blick deines Gegners im Auge behalten«, erklärte er, während er mit halb gesenktem Schwert zusah, wie sie ihn umkreiste. Dann hob er die Schwerthand, und die Klinge fuhr in die Höhe. »Auch seine Hände. Die Entfernung zu ihm.«
»Ich weiß das!«
Sie holte aus und schlug Falkenkralle gegen sein Schwert, und fast sah es so aus, als glitte ihm die Waffe aus der Hand. Oder spielte er ihr nur etwas vor? Dass er sie offenbar für eine Anfängerin hielt, machte sie wütend. Sie hatte so viel von ihrem Vater, von Sverri, Hallvardr und auch Yngvarr gelernt, aber wo war das alles jetzt? Sie holte zu einem neuerlichen Schlag aus; auch diesen parierte er, und mit einem Mal stand er hinter ihr und hatte eine Hand auf ihren Schwertarm gelegt.
Seine plötzliche Nähe jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Sie müsste den Kopf nur ein kleines Stück drehen, und es wäre ganz einfach, ihre Lippen auf seine zu pressen. Wie sie es schon einmal getan hatte …
Ihr Götter, wie sollte sie gut kämpfen, wenn ihr jetzt der Kuss in den Sinn kam?
»Von oben mit Kraft, von unten mit Geschmeidigkeit«, raunte er in ihr Ohr. »Wenn du es mit Kraft versuchst, hole nicht zu weit aus, sonst verlierst du zu leicht die Kontrolle über das Schwert. Ziel nicht auf den Brustkorb, er ist zu stark. Ziel auf die Gelenke und das Schlüsselbein. Du musst hoch parieren, wenn du deinen Kopf, niedrig, wenn du deinen Körper schützen willst. Du solltest …«
Sie hörte seine Worte kaum noch. Zu berauschend war das Gefühl seines Atems auf ihrer Haut. Seine Nähe ließ sie schwindeln. Hitze staute sich unter ihrem gepolsterten Wams. So schnell war ihr noch bei keinem Kampf warm geworden. Und so schwach hatte sie sich noch nach keiner Niederlage gefühlt.
Dieser Gedanke war wie ein Guss kaltes Wasser. Ihre Gefühle machten sie schwach. Sie durfte sich keine Schwäche erlauben. »Du kämpfst anders als wir«, brachte sie rau hervor. »So beherrscht …« So beeindruckend , dachte sie. So schön …
Sie machte sich von ihm los, während sie sich fragte, ob ihr Einfall, von ihm zu lernen, nicht völlig aussichtslos war. Wenn sie sich nicht zusammenriss, dann bestimmt. Also hob sie das Schwert – und griff schreiend an …
Noch am Abend fühlte sie sich erschöpft. Im Vergleich zu Rouwen sahen die meisten anderen Schwertkämpfer erbärmlich aus. So auch sie. Aber im Laufe des Kampfs hatte sie sich gebessert. Und trotz ihrer Vorsätze hatte sie jeden Augenblick in seiner Nähe genossen, vor allem die Augenblicke, in denen sie seine Haut gespürt hatte, seinen warmen Atem. Seinen glühenden Blick auf ihrem …
Sie beschloss, sich im Schwitzhaus zu erholen. Arien dürfte schon im Bett stecken, und da ihr Vater und Júta gestern geschwitzt hatten, hätte sie die Hütte, die der Häuptlingsfamilie vorbehalten war, für sich allein. Sie befahl einer Sklavin, die Hütte aufzuheizen, für Tücher und etwas zu trinken zu sorgen und dann zu verschwinden.
Es war düster, als sie durchs Dorf ging. Hier und da schien nur das schwache Licht von Talglampen unter den Ritzen der Türen. Eng schlang Rúna den Umhang um sich, denn die Nächte waren noch kalt. Barfuß war sie trotzdem – das störte sie nicht im Geringsten. Sie stieg die Anhöhe zum Teich hinauf. Auch aus dem Kamin einer der anderen Schwitzhütten quoll Dampf. Doch wer immer dort war, würde es nicht wagen, sie zu stören.
Sie öffnete die Tür gerade so weit, dass sie hineinschlüpfen konnte. Im
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