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Wikingerfeuer

Wikingerfeuer

Titel: Wikingerfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shirley Waters
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dürren Jungen mit einem vermutlich geklauten Schweinskopf unter dem Arm. Eines der Mädchen zerrte an Rúnas Umhang und hob eine Hand zum Betteln, entschied dann aber, dass es besser war, den anderen auf den Fersen zu bleiben. Im nächsten Moment waren die Kinder schon wieder in der Menschenmenge verschwunden. Dafür näherten sich nun einige gewappnete Männer, die einen Mann mit sich zogen, der sich heftig wehrte. Ein paar Schritte neben Rúna langte eine Frau einem feisten Herrn in die Gürteltasche, während eine andere tat, als wolle sie ihr Mieder aufschnüren, um hier und jetzt zu zeigen, was sie in der Bluse hatte.
    Wo bin ich nur hingeraten? , fragte sich Rúna. All das war auf eine Art abstoßend und auf die andere faszinierend. Sie beschloss, nach einem Stand mit Büchern und Pergamenten Ausschau zu halten. Bestimmt gab es hier so etwas.
    Yngvarr berührte ihren Arm. »Sieh mal, die Frau«, er nickte in die Richtung, in die sie gingen. Ein Stück vor ihnen saß eine Dame hochaufgerichtet in einem Tragstuhl. Offen flossen ihre rotbraunen Haare bis zu den Ellbogen. Aus ihrem Putz hätte man Kleider für mehrere Frauen machen können. Dunkelroter Samt, dunkelrote Seide, und an der Seite hing ein perlenbesticktes Beutelchen. »So muss auch Athelna früher durch die Straßen getragen worden sein.« Yngvarr schnaubte verächtlich. »Der Beutel schreit danach, dass man ihn abschneidet.«
    »Und dann rennst du wie die Kinder eben. Lass es lieber«, mahnte Rúna. Sie drehte sich, als ob sie nach den kleinen Dieben Ausschau hielte, und entzog sich so seiner Berührung. Zu einem Zwischenfall wie dem am Broch war es nicht wieder gekommen. Aber seitdem hasste sie es, wenn er sie anfasste.
    Fremdartige Klänge ließen sie aufhorchen. Für Rúna, die kaum mehr als die schrillen, nervtötenden Töne der Knochenflöten und das Gegröle der Männer kannte, wenn sie beim Bier und Met saßen, war diese Musik erstaunlich. Sie sah einen fetten Mann in einem eng anliegenden Kostüm, das aus bunten Flicken genäht war. Nein, er war nicht fett, erkannte sie im nächsten Moment. Sein Bauch schien mit Stroh oder Lumpen ausgepolstert zu sein. Seine Schultern zierten Glöckchen, die bei jedem Schritt klingelten. Die junge Frau an seiner Seite war ganz ähnlich gekleidet. Beide hielten hölzerne Kästen in den Händen, die bauchig geformt und mit dünnen Schnüren versehen waren. Während das Mädchen diese Schnüre mit einer Art gespanntem Bogen zum Klingen brachte, drehte der Mann an einer Kurbel.
    Viele Leute wandten sich nach ihnen um. Je feiner jedoch das Gewand der Zuschauer war, desto abschätziger waren ihre Mienen. Offenbar waren solche Spielleute nicht hoch angesehen. Rúna sah die beiden in einem Haus verschwinden, über dessen Eingang ein Schild mit einem aufgemalten Hirsch schaukelte. Bratenduft wehte heraus.
    Ja. Etwas zu essen und dabei der Musik lauschen, das war es, was Rúna jetzt wollte. Das Mitbringsel für Arien hatte Zeit.
    »Ich gehe in diese Richtung.« Sie deutete in Richtung der Schenke. »Nimm du die andere.«
    Das konnte man als Befehl deuten. Yngvarr runzelte die Stirn, dachte endlos lange darüber nach und nickte schließlich gnädig. »Aber pass auf dich auf, Rúna.«
    Ich bin deine Herrin! Und kein Kind!
    Er rieb ihre Schulter, wie um sie zu beruhigen, dass er sie nun für eine Weile allein ließ.
    »Yngvarr!«, rief sie ihm nach, als er sich bereits ein paar Schritte entfernt hatte. Er wandte sich um. »Pass auch du auf dich auf.« Bei diesen Worten lächelte sie kühl. Sie missachtete seinen ärgerlichen Blick, und tauchte in die Menge ein, ließ sich von ihr verschlucken. Endlich allein, wie aufregend! So ähnlich musste sich Arien gefühlt haben, als er sich im Lagerraum verkrochen hatte. Neugierig drängelte sie sich kurze Zeit später in das Wirtshaus. Hier drinnen war es ebenso voll wie auf dem Markt. Bänke reihten sich an den Wänden, dazwischen standen fleckige Tische, auf denen sich Teller, Schalen und Krüge türmten. Dicht an dicht saßen die Leute, und in der Mitte des Raumes standen sie einfach. Frauen schleppten Holzbretter mit Bratentellern; an ihren Schläfen floss der Schweiß in Bächen hinunter. Viele Gäste hatten ihre eigenen Becher und Messer mitgebracht, die sie aus den Tiefen ihrer Kleidung hervorzogen. Der Lärm war wie ein dicht gewebter Teppich aus Geschwätz und Gelächter, hier und da wurde sogar lautstark gestritten. Wo waren die Musikanten? Rúna drängte sich durch die

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