Wikingerfeuer
einer Weile entdeckte sie an einem Bachlauf einige helle Blüten. Sie entkleidete sich und wusch sich im Bach. Nackt und im Wasser kniend brachte sie der Göttin die Blumen dar. Freya war die Göttin der Liebe, des Frühlings; sie war Zauberin und Kriegerin. Rúna fühlte sich ihr ganz nah und fror auch nicht, während sie betete.
Hilf mir, zu erkennen, was das Richtige ist. Und es zu tun .
Noch während sie dies in Gedanken aussprach, ahnte sie, wozu sie sich entscheiden würde. Ihr war, als habe sie sich nicht nur entblößt, um der Göttin rein gegenüberzutreten. Sondern auch, um Rouwen ihr Herz, ihre Seele, ihren Körper darzubieten. Um seine Augen zu öffnen. Um ihn mit jeder Faser spüren zu können. Wenn er sie erst im Arm hielt, würde er hoffentlich begreifen, dass dieses Keuschheitsgelübde Unfug war. Er war ein Mann voller Leidenschaft, wie geschaffen für sie – sein Gott hatte ihn so gemacht, das musste er begreifen …
Sie raffte ihre Sachen und den Dolch auf, warf sich den Umhang über und wanderte zum Lager zurück. Allmählich fror sie doch. Der kühle Seewind ließ ihr offenes Haar wirbeln und fuhr unter den Umhang. Flink lief sie zu dem kleinen Zelt, das sich Rouwen mit Sverri teilte und legte ihre Sachen am Eingang ab. Leise rief sie Sverris Namen, und augenblicklich kam er heraus.
»Ru´ …«
»Psst.« Sie legte einen Finger auf den Mund. »Bitte geh.«
Freya sei Dank, er begriff sofort. Im Fortgehen gab er ihr einen freundschaftlichen Klaps aufs Gesäß.
Liebend gerne wäre sie ebenfalls unbeschwert gewesen. Doch was sie verspürte, als sie die Zeltklappe vorsichtig anhob, war eine eigenartige Furcht.
Die Luft im Innern war warm. Und es war stockdunkel. Sie kauerte sich am Zelteingang nieder und versuchte irgendetwas zu erkennen, aber sie sah nicht einmal die Hand vor Augen. Umso angestrengter lauschte sie. Sverris Fortgang hatte Rouwen doch sicher aufgeweckt? Gewiss war er hellwach und hatte bemerkt, dass jemand hereingeschlichen war. Versuchte er ebenso angestrengt wie sie, etwas zu hören und zu sehen? Dass er eine Waffe ergriffen hatte, war nicht zu befürchten; er besaß ja keine. Aber es war ihm zuzutrauen, dass er sie mit bloßen Händen anfiel … Ihr Körper prickelte in Erwartung. Der Gedanke, von ihm angefallen zu werden, war ihr keineswegs unangenehm.
Er gab sich keine Blöße. Die Totenstille wollte nicht weichen. Ihr lag sein Name auf der Zunge. Aber er wollte nicht heraus.
Langsam neigte sie sich nach vorne, betastete den mit Decken ausgelegten Boden. Sie ließ sich auf die Knie nieder und schob eines nach dem anderen vorwärts, während ihre Finger über Wollstoff strichen, in dem altes Stroh hing. Ein Pelz verriet, dass sie Rouwen näherkam.
Ihre Fingerspitzen berührten warme Haut. Seine Hand. Sie hätte gedacht, dass er erschrecken würde. Doch so war es nicht. Ganz selbstverständlich glitten ihre Finger in seine, und er umschloss sie.
»Es tut mir leid, Rúna.«
Sein Daumen rieb über ihren Handrücken. Sie hielt still, als sei er ein scheues Tier, das jede Bewegung verscheuchen könnte. Oder war es umgekehrt?
»Du solltest wieder gehen.«
Ich tue, was ich will. Und ich will hier bei dir sein. Ich will, dass du begreifst.
» Rúna …«, flüsterte er. Ahnte er nicht, dass jedes Wort, jede Berührung sie hinderte, seiner Bitte nachzukommen? Ahnte er nicht, welche Wirkung er auf sie ausübte? Aber wie sollte er? Wenn er wirklich ein Mönch war, dürfte er kaum Erfahrung mit Frauen haben.
Ein letztes Mal rief sie sich in Erinnerung, was er war. Ein Mönch wie der, der ihre Mutter auf dem Gewissen hatte. Es wäre für sie beide so viel einfacher, wenn es ihr gelänge, sich gegen ihn aufzubringen. Doch dieser Versuch war gänzlich zum Scheitern verurteilt. Dazu glich Rouwen viel zu wenig ihrer Vorstellung bleichhäutiger ungestalter Männer, die sich betend in den Schatten herumdrückten und nicht wussten, wohin mit ihren körperlichen Lüsten.
Es gab noch einen anderen Grund, weshalb sie schleunigst hier heraus sollte: Sie hier zu wissen, würde ihren Vater zutiefst schmerzen. Toben würde er, wüsste er, was sie gerade tat.
Vater, Mutter, verzeiht mir .
Sie entzog Rouwen die Hand, um über seinen Unterarm zu streichen. Jetzt in der Dunkelheit erspürte sie überall winzige Narben, die tags kaum zu sehen waren, und größere, die sie bereits heimlich bewundert hatte. Sie rückte näher, berührte auch seinen Oberarm und die kräftigen Muskeln. Sie schob
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