Wikingerfeuer
erweichte sein Herz. Dennoch, es war viel zu gefährlich. Wie wurde er den Jungen nur wieder los? Es war nicht mehr weit bis zur Zugbrücke; er konnte über dem geschlossenen Tor bereits die Wachen auf dem Wehrgang erkennen. Der Fackelschein spiegelte sich auf den Eisenspitzen ihrer Spieße.
»Was hast du eigentlich vor?«, fragte Arien. »Du hast meinem Vater geschworen, ihm bei seiner Rache zu helfen. Hältst du dich noch daran? Willst du etwa Rúna befreien?«
Rouwen seufzte. »Ja. Aber ich will auch versuchen zu verhindern, dass Yngvarr euch alle ins Unglück stürzt.«
»Warum tötest du ihn nicht?« Diese Frage klang, als wäre es Arien ganz recht.
»Weil ich geschworen habe, mich nicht gegen euch zu stellen. Das gilt auch für ihn. Und weil die anderen nicht tatenlos zusehen, sondern mich umbringen würden. Außer vielleicht Sverri und Hallvardr. Aber auch die beiden würden sich kaum mit mir gegen ihre Waffenbrüder stellen …« Verdammt, weshalb hielt er hier Reden, statt den Jungen abzuschütteln? »Also bin ich hier. Um Rúna zu helfen. Und auch um Lady Athelna zu schützen. Oder was glaubst du, wird Yngvarr mit ihr tun, wenn Rúna in dieser Burg stirbt?«
»Und was willst du da drin tun?«
Rouwen sah ihn ernst an. »Ich will an ihrer Seite sein und sie verteidigen, wenn Yngvarr, dieser Narr, heute Nacht die Burg angreift.«
»Ich werde deinen Knappen spielen. Dann kommst du leichter hinein.« Arien hustete, doch selbst dabei sah man ihm die Begeisterung über diesen Einfall deutlich an.
»Du könntest recht haben«, gab Rouwen zu. »Aber ist dir auch klar, dass mein Knappe kein Wikingerjunge wäre? Wenn du nur einmal Odin, Thor oder sonst was in den Mund nimmst, sind wir aufgeflogen.«
»Das passiert mir nicht. Was soll ich stattdessen sagen?«
»›Beim heiligen Cuthbert‹.« Noch während er den Namen des englischen Heiligen aussprach, schüttelte er schon den Kopf. Ihm kam der Reliquienschrein in Stígrs Hütte in den Sinn. »Nein, sag besser ›beim heiligen Blane‹. Das ist zwar ein Ire, aber ein schottischer Heiliger will mir gerade nicht einfallen. Blane ist gut.«
»Der heilige Blane.« Arien furchte konzentriert die Stirn und nickte eifrig.
»Und jetzt still!«, murmelte Rouwen, denn es waren nur noch wenige Schritte und das Tor ragte vor ihnen auf.
»Wer da?«, rief einer der Wächter von oben herab.
»Ich bin Rouwen von Durham und bitte um ein Nachtlager!«
Eine kleine Klappe öffnete sich im Tor. Ein vierschrötiges Gesicht tauchte dahinter auf. »Nachts bleibt das Tor zu. Ihr werdet Euch ins nächste Dorf aufmachen müssen.«
Rouwen breitete die Arme aus. »Ich bin ein Ritter und komme aus dem Heiligen Land. Um Christi willen habe ich dort gelitten. Um Christi willen bitte ich Euch, öffnet das Tor.«
»Ihr habt Euch einen denkbar schlechten Zeitpunkt ausgesucht, es gibt hier ein paar Schwierigkeiten …«
Rouwen krempelte den Ärmel der Tunika hoch und entblößte sein Tatzenkreuz. »Ich sagte, ich bin ein Ritter aus dem Heiligen Land. Ein Tempel ritter.«
Der Mann erbleichte, als er die rote Tätowierung sah. »Allmächtiger Gott! Verzeiht, Herr! Connor«, brüllte er nach einem anderen Mann, während er die Klappe zuschlug. »Wir öffnen dem Tempelherrn!«
Rouwen hörte hastige Schritte, dann schwangen die beiden Torflügel knarrend und schwerfällig auf. Vier bis an die Zähne bewaffnete Knechte kamen heraus und bildeten ein kleines Spalier. Der vorderste war der Mann mit dem vierschrötigen Gesicht.
»Was ist mit dem Jungen?«, fragte er. Offenbar hatte er den Befehl inne.
»Ich bin sein Knappe, beim heiligen Blane!«, rief Arien.
»Das?« Rouwen drehte sich kurz im Sattel. »Das ist ein Bengel, der sich mir an die Fersen geheftet hat, um in die Burg zu kommen.«
»Aber, beim … beim heiligen …«, stotterte Arien.
»Mein Knappe ganz gewiss nicht. Scher dich fort, Junge!« Mit diesen Worten drehte sich Rouwen wieder um.
»Verschwinde«, der Wächter fuchtelte mit einer behandschuhten Hand vor Ariens Gesicht herum, sodass dieser zurückwankte.
Rouwen ritt durch das Tor. Im Innenhof angelangt warf er einen raschen Blick zurück und zwinkerte Arien zu. Er sah noch, wie der Junge enttäuscht die Schultern hängen ließ, dann schlossen sich die Torflügel.
»Auch wenn der Zeitpunkt ungünstig ist, so ist es uns doch eine Ehre, einen armen Ritter Christi vom Tempel Salomons zu beherbergen.« Der Burgvogt, ein kleiner, dicklicher Mann, verbeugte sich mehrmals
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