Wild auf Fußball
»Vic-to-ri-a!« Das hört sich ein bisschen albern an und geht im Spiel unter.
Ella rennt sich die Hacken ab. Ist der Ball vorne, ist sie auch vorne; ist der Ball hinten, ist sie hinten. Die Lunge brennt,
als hätte man ihr zwei heiße Bügeleisen auf die Brust gesetzt. Bonita kämpft als linke Verteidigerin auch nicht schlecht.
Trotzdem kommt das Spiel nicht richtig in Gang. Zu allem Überfluss pfeift heute der Hempstädt. Er hatte sich als Schiri gemeldet
und läuft jetzt zwischen ihnen herum wie ein junges Reh, was Ella noch nervöser macht. Aber Bonita ist eine Wucht! Sie treibt
den Ball immer wieder nach vorn. Und wie wendig sieauf dem Platz ist! Sie kann super dribbeln und vor allem guckt sie, wer wo steht, und gibt den Ball im richtigen Moment ab.
Ella steht bereit. Bonita stoppt den Ball mit rechts und passt ihn mit links so präzise an zwei Tigern vorbei, Ella zu, dass
diese damit nach vorne stürmen kann, zwischen zwei Abwehrspielern hindurch, an der bereitstehenden Hilde vorbei, direkt aufs
Tor schießt und das 1:0 in ein 1:1 verwandelt! Ella sieht das Netz zittern, dann sieht sie gar nichts mehr, sinkt auf die
Knie und dankt dem Himmel dafür - und Bonita!
Lino und seine Jungs schlagen sich die Hände vors Gesicht. Es nützt nichts. Mit dem Unentschieden gehen sie nach anstrengenden
20 Minuten in die Halbzeit.
Ella liegt auf dem Rücken und lässt sich frisches Wasser in die Kehle laufen. Lino sitzt auf der anderen Seite des Rasens
und lässt sich von einem Mitspieler die Waden massieren. Herr Kübel redet wie ein Wasserfall auf Ella ein. Sie soll sich hinsetzen
beim Trinken und auf dem Platz nicht immer allein nach vorn gehen. Das sei zu gefährlich. Sie hätte zweimal Hilde übersehen.
Aber Frau Wilms findet, die erste Halbzeit wäre doch wunderbar gelaufen, und lobt Ella, nicht nur weil sie so ein tolles Tor
geschossen hat. »Aber zum Trinken solltest du dich wirklich lieber hinsetzen, sonst verschluckst du dich noch.«
»Wenn du doch in Mathe bloß auch so treffsicherwärst wie auf dem Fußballplatz ...«, sagt der Hempstädt. Er hat immer noch die Trillerpfeife im Mund.
Ella klappt die Ohren zu. Plötzlich kann sie verstehen, warum Lino eine Mannschaft ohne Lehrer haben wollte! Sie schaut zu
Lino rüber, grinst ihm siegessicher zu. Lino würdigt sie keines Blickes.
Die zweite Halbzeit beginnt. Anstoß 1. FC Südtiger. Lino passt quer zu Nummer 8. Der schießt den Ball auf die andere Seite. Hilde greift ein, stochert einem Rothaarigen mit ihren langen Beinen den Ball weg,
spielt zu Svenja. Svenja dribbelt mit dem Ball ins Mittelfeld, passt steil zu Ella. Ella stoppt den Ball und gibt an Carmen
ab. Carmen stolpert und Linos Beulenkumpel drängt nach vorn, wird von Bonita gestört. Sie flankt zu Tom. Tom stoppt mit rechts,
schießt mit links weiter zu José. Der will zu Ella flanken, aber da tritt Lino dazwischen. Der Ball rollt ins Aus. Einwurf
Victoria.
Hilde wirft zu Bonita. Bonita passt zu Ella. Ella passt zu Bonita. Jemand von den Zuschauern ruft: »Bravo!«
Ella ist mit Bonita im gegnerischen Strafraum, da haut Lino Ella den Ball weg. Sie fallen beide hin. Sie wird nass von seinem
Schweiß. Zum Glück pfeift der Hempstädt nicht. Es war zwar ein Foul, aber noch einen Elfer würde Ella nicht überleben. Ella
wischt sich Linos Schweiß vom Arm, nutztbeim Aufstehen die Gelegenheit und rammt ihm den Ellenbogen in die Rippen. Kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort. Lino
krümmt sich. Bevor er reagieren kann, ist sie schon weg, wieder im Spiel, tänzelt um einen Abwehrspieler herum und nimmt ihm
den Ball ab, rast durchs Mittelfeld, dribbelt am Hempstädt vorbei, sieht Bonita rechts außen mitkommen, passt ihr den Ball
steil zu. Bonita knallt das Ding volle Pulle ins Tor!
Kann es etwas Schöneres geben?
Alle springen auf Bonita und reißen sie zu Boden. Sie ist gar nicht mehr zu sehen.
Frau Wilms ruft: »Um Himmels willen! Erdrückt sie nicht!«
2:1. Noch sieben Minuten zu spielen.
Die Südtiger verbeißen sich in ihre Wut und stürzen sich auf den Ball, wann immer sie können, stürmen nach vorn, aber bis
auf eine gefährliche Ecke, die der Pinkler tritt und der dicke Mustafa klärt, gibt es keine wirkliche Chance. Herr Kübel schreit
sich die Seele aus dem Leib: »Baut euch auf! Spielt nach vorne! Und immer gucken, gucken, gucken!« Er tippt sich an die Augen.
Ella spielt sich frei, schießt mit voller Wucht,
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