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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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bist gegen alle Widrigkeiten gewappnet, sagte ich. Ich will nur zurück an den See. Zurück zum Gras und dem Wasser, das an meine Füße schwappt, zurück zu dem Duft des Sommers.
    Es ist Winter, hielt er dagegen. All das wirst du nicht finden.
    Und ja, auch das wusste ich.

    Um drei Uhr nachts schellte es an der Haustür.
    »Das sind meine Eltern«, sagte Moon und seufzte. »Wahrscheinlich zu betrunken, um den Schalter zu finden.«
    Sie wankte an die Tür. Überrascht fuhr ich auf, als ich Dr. Händels Stimme im Eingangsflur hörte.
    »Tut mir leid, ich weiß, wie spät es ist. Aber Peas ist hier, nicht wahr?«
    Er kam einfach so herein. Der Hauswächter unten hatte ihn bestimmt durchgelassen, weil er Arzt war. Niemand hielt einen Arzt auf.
    Ich fiel mitsamt der Decke und den Kissen vom Sofa, als ich aufspringen wollte.
    »Nicht so eilig.« Er lächelte, doch seine Augen blieben ernst. »Ich muss mit dir reden, ganz in Ruhe.«
    Moon stand hinter ihm und wirkte irgendwie gar nicht überrascht.
    »Hast du ihn angerufen?«, erkundigte ich mich und versuchte, mir mein Entsetzen nicht anmerken zu lassen. Wenn sie ihm alles erzählt hatte, würde er wissen, dass ich nicht richtig krank war.
    »Ich musste sichergehen, ob es nicht doch gefährlich ist, in deiner Nähe zu sein«, sagte Moon mit einem reizenden Lächeln. »Und er hat sogar versprochen, dir zu helfen.«
    Seine Hand fuhr in die Tasche, holte etwas heraus, etwas Kleines, das seine Finger verbargen. »Du warst immer eine meiner Lieblingspatientinnen«, sagte Dr. Händel. »Und als Moon mich um Rat gefragt hat … Nun, ich möchte dir etwas anbieten, Peas.« In seiner Hand lag ein Fläschchen. »Morbus Fünf. Ich arbeite neuerdings im Bio-Institut und habe Zugriff auf echte Viren.«
    Mein Puls ging schneller. »Danke«, sagte ich. »Aber das ist nicht nötig.« Doch ich konnte nicht verhindern, dass meine Gedanken sich überschlugen. Das echte Morbus Fünf! Wenn ich das Alfred mitbringen könnte!
    Trotzdem zögerte ich, denn immerhin ging es um eine schlimme Krankheit, und was, wenn ich die Damhirsche nicht rechtzeitig erreichte?
    »Nun, wenn du es nicht willst«, sagte Dr. Händel munter, »nehme ich es eben wieder mit. Du solltest jedoch wissen, dass das veraltete Präparat aus der Schule überhaupt keine Wirkung hat und höchstens einen Schnupfen verursachen wird. Du wirst von diesen uralten Virenstämmen nicht mal Kopfweh kriegen.«
    Er hielt mir immer noch das Fläschchen vor die Nase.
    In meinem Mund ein trockenes Brennen. Es fängt bereits an, hätte ich am liebsten gesagt. Doch es waren nur die Symptome meiner Angst, die ich spürte. Meine Schwäche … nur Einbildung.
    »Nimm es«, flüsterte Moon. »Keine Sorge, er hat auch das Gegenmittel.«
    »Es gibt eins?«, fragte ich verwirrt. Aber das konnte nicht sein. Mein Vater arbeitete doch mit Morbus Fünf, er hätte darüber Bescheid gewusst!
    »Natürlich. Du glaubst doch wohl nicht, ich hätte vor, dich umzubringen?« Dr. Händel lachte jovial und holte ein weiteres unscheinbares Fläschchen aus seiner Tasche. »Das ist unser neuestes Forschungsergebnis, noch streng geheim. Nur sehr wenige Leute wissen davon, wir haben den Behörden noch nichts mitgeteilt. Das bedeutet, dass sie dich für unheilbar krank halten werden. Zugleich ist das deine Lebensversicherung. Nimm es mit und verlier es auf keinen Fall. Trink es erst, wenn du durchs Tor bist, denn es wirkt sehr schnell, und du willst doch nicht, dass man dich vorher für geheilt erklärt. Aber innerhalb von fünf Tagen musst du es einnehmen, oder es ist zu spät.«
    Moon griff danach, da ich mich nicht rührte. Auf einmal war mir alles zu viel. Ich hatte gedacht, ich hätte das Schlimmste schon hinter mir, diesen Moment der Entscheidung. Dabei hatte ich ihn noch vor mir, und ich wusste nicht, ob ich stark genug war.
    Er log, oder? Denn wenn er nicht log … dann brachte mich dieses Mittel zwar durchs Tor, aber es würde Alfred in seinem Krieg gegen die Jäger nichts nützen. Dann reichte es, wenn ich mir nur die Symptome zuzog – aber wie, wenn die Präparate gar nicht so stark waren, wie Venus uns ständig hatte weismachen wollen? Ich hatte keine Wahl, so oder so. Entweder wollte Dr. Händel mich töten, dann musste Alfred mich retten. Oder er wollte mir tatsächlich helfen, und das hier war der einzige Weg zurück in die Wildnis, und sein Mittel würde mich heilen.
    »Warum tun Sie das?«, fragte ich. »Dafür könnten Sie doch bestimmt mächtig

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