Wild (German Edition)
und betrat durch die große Eingangstür den Flur, der zu den Umkleideräumen führte. Dort, im Halbdunkel unter den Pokalen und Trophäen, die in den heute unbeleuchteten Vitrinen zu bewundern waren, stand Lucky mit einem Mädchen und tat, was er immer tat.
»Wir haben gleich Gesellschaftskunde«, sagte Moon und tippte ihm auf die Schulter, womit sie die Knutscherei beendete.
»Oh, ist die Pause zu Ende?«, fragte Lucky und tat unschuldig. »Ich hab ganz die Zeit vergessen.« Sein Blick suchte meinen; sacht schüttelte er den Kopf. Also keine von uns.
»Bin gleich wieder da.« Ich nutzte die Gelegenheit und huschte weiter, an den Umkleiden vorbei zur Halle. Von drinnen hörte ich Rufe und das Trappeln unzähliger Füße. Vorsichtig öffnete ich die Tür einen Spalt.
Die Spieler hatten gar nicht gemerkt, dass Pause war. Als würde es auf dieser Welt nichts anderes geben als den Ball, jagten sie ihm nach, verloren in einer der wenigen gesetzlich zugelassenen Leidenschaften des neuen Menschen. Orion war wie immer ganz vorne, und da das Tor, auf das sie zuhielten, nicht weit von meiner Tür entfernt war, stürmten sie direkt auf mich zu.
Ich wagte ein paar Schritte hinaus aufs Spielfeld.
Ein schrilles Pfeifen gellte in meinen Ohren, doch es war zu spät – mit der Kraft und Geschwindigkeit eines Güterzugs lief Orion in mich hinein. Er rannte mich förmlich über den Haufen, stolperte und stürzte mit mir zusammen auf den Boden, wo er mich förmlich unter sich begrub. Grüne und goldene Sterne tanzten vor meinen Augen.
»Hallo Schätzchen«, sagte jemand äußerst liebenswürdig. »Es ist leider nicht erlaubt, auf dem Spielfeld herumzuliegen. Ist einer von euch verletzt?« Ich erkannte das kantige Gesicht Simons, des Trainers, über mir.
»Äh – keine Ahnung«, stammelte ich.
Er zog mich hoch. Alles drehte sich um mich, und mein Hintern schmerzte, aber ich hatte mir nichts gebrochen und konnte ohne Schwierigkeiten vom Spielfeld humpeln. Moon spähte gerade durch die Tür.
»Oh Pi, meine Süße, wolltest du dich gleich hier mit Zeus treffen? Direkt vor dem Tor?«
»Tja, weiß auch nicht«, murmelte ich betreten.
Moon schenkte Simon ihr gewinnendstes Lächeln. »Ja, so ist sie, unsere Pi. Und auf Wiedersehen.«
Ich drehte mich noch schnell zu Orion um; seinetwegen war ich schließlich hier. Der dunkelhaarige Athlet saß immer noch auf dem Boden und tastete seine Beine ab. Mich beachtete er überhaupt nicht – hätte er nicht fluchen oder mich anschreien müssen? Wenn er gewusst hätte, was wilde Gefühle sind, hätte er sich garantiert wutentbrannt auf mich gestürzt. Stattdessen stand er auf und spielte weiter, als wenn nichts passiert wäre.
In der Mensa erzählte Moon allen, was ich angestellt hatte. Liebevoll knuffte sie mich in den Arm. »Pi hat einen guten Geschmack. Zeus ist der coolste Junge aus unserem Jahrgang.«
Charity kicherte haltlos. »Oh Pi, du bist so romantisch! Jetzt wird er dich nie vergessen.«
Lucky drehte sich zu Orion um, der ein paar Tische weiter mit seinen Freunden saß. Während sie herumalberten und lachten, stierte er über seinen Teller gebeugt vor sich hin.
»Er scheint mir etwas angeschlagen«, meinte Lucky besorgt. »Wann ist das nächste Schulspiel? Hoffentlich ist er bis dahin wieder fit.«
Er funkelte mich zornig an, aber erst als Moon und Charity loszogen, um sich Nachschlag zu holen, sagte er mir die Meinung.
»Pi, du solltest Orion ein paar Fragen stellen und ihn nicht umbringen!«
»Es geht ihm gut!«
»Und das war unauffällig, ja?«
»Es ist nicht optimal gelaufen«, gab ich zu. »Tut mir echt leid, dass ich ihn nicht einfach abgeknutscht habe, um ihn zu testen!«
Bevor er mir Kontra geben konnte, tauchte Moon auf, das Tablett voller Schälchen. »Nuss war alle, aber ich hab jedem von euch Pudding mit Vanillegeschmack mitgebracht.«
»Danke schön, Moon. Du bist ein Schatz.«
Lustlos schleckte Lucky an seinem Löffel. Er war dabei merklich unruhig, immer wieder spähte er zu Orion hinüber, der jetzt fertig war und sein Tablett zum Band trug. Wenn wir nicht den Beginn der nächsten Stunde verpassen wollten, mussten wir uns beeilen.
»He, warte mal.« Lucky sprang auf, gerade als der Joyspieler an unserem Tisch vorbeigehen wollte. »Ich habe gehört, was vorhin passiert ist. Warst du schon beim Arzt?«
»Das ist nicht nötig«, versicherte Orion.
»Nein, wirklich. Das sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Denk an das Spiel.« Er fasste
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