Wild (German Edition)
Lächeln.
»Natürlich. Kein Mensch denkt sich was dabei, wenn du die Mädels anbaggerst. Lauer ihnen auf und verteil Küsschen, wie du es sonst doch auch immer machst. Da wirst du schon merken, ob sie irgendwie anders reagieren als sonst.«
»Das ist nicht witzig«, sagte Lucky ungewöhnlich ernst.
»Doch, irgendwie schon«, widersprach ich. »Wir wollten uns normal verhalten, schon vergessen? Ich rede sonst nie mit diesen Schönheiten, ich komme viel besser mit Jungs klar.« Vorzugsweise mit Jungs, die schon eine Freundin haben, dachte ich, sprach es aber nicht aus. Dass ich ganz gut mit Jupiter konnte und mit Lucky mehr Zeit verbrachte als mit den Mädchen aus meiner Klasse, sagte natürlich wenig darüber aus, ob es mir gelingen würde, mit den Kandidaten auf Luckys geheimer Liste ein aufschlussreiches Gespräch zu führen.
Er seufzte.
Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Moon auf uns zusteuerte. »Schnell«, drängte ich. »Die Namen.«
Zum Diskutieren blieb keine Zeit. »Orion. Buddha aus der sechsten. Norm.«
»Welcher Norm?«, zischte ich, während Moon schon die Arme nach ihm ausstreckte. Es gab zig Norms an unserer Schule. Nach Norm Frühlingswetter, dem Ersten Minister von Neustadt, benannt zu sein, war eine weit verbreitete Ehre.
»Der aus unserem Jahrgang. Sitzt auf der Bank im Warteflur rechts von Star.«
»Was ist mit Star?«, fragte Moon, die sich wie selbstverständlich zwischen uns setzte.
»Ihr Bruder liegt im Genesungshaus«, erklärte Lucky und legte den Arm um ihre Schultern. Dadurch war seine Hand auf einmal ganz dicht vor meinen Augen, und ich musste sie zwangsläufig betrachten, während ich damit beschäftigt war, Moons fragendem Blick auszuweichen. Lucky hatte schmale und doch kräftige Hände, und ich stellte fest, dass sie mir gefielen.
»Ach, die Geschichte. Seid ihr immer noch damit beschäftigt? Wie findest du meinen Lippenstift, Pi? Passt der zum Lidschatten?«
»Wunderbar«, sagte ich, und sie drehte den Kopf zu Lucky, um ihn dasselbe zu fragen.
Orion, Buddha und Norm.
Jetzt musste ich mir nur noch eine Strategie überlegen, wie ich herausfinden konnte, ob ihre Gefühlswelt sich verändert hatte.
Als ich Buddha zufällig auf dem Schulhof traf, hatte ich immer noch keinen Plan. Trotzdem konnte ich die Gelegenheit nicht ungenutzt vorübergehen lassen. Ich hatte bereits Star erspäht, die zusammengesunken auf einer Bank hockte und gewiss bald ungewünschte Aufmerksamkeit erregen würde.
»Hoppla. Tschuldigung.« Ich sprang einfach vor und packte ihn am Arm.
Wer mich kannte, würde das für durchaus normal halten.
»Kann ich dir helfen, meine Süße?«, fragte Buddha und lächelte mich strahlend an. Er war einer der makellos schönen Sorte, mit langen, dunkelbraunen Haaren und breiten, muskelbepackten Schultern. So viel ich wusste, hatte er eine ebenso überragend attraktive Freundin mit glanzverstärkter Haarpracht.
»Mir ist nur gerade schwindelig«, log ich. »Kannst du mich zu der Bank da führen?«
»Aber natürlich, gerne, mein Sonnenschein«, sagte er und lud mich neben Star ab, dann entschwand er wieder, ohne sich auch nur einmal umzudrehen.
»Hm«, machte ich, halb zu mir und halb zu Star. »Der ist normal, glaube ich. Falls er nicht bloß so tut.«
Sie hob den Kopf und starrte mich einen Moment lang an, als hätte ich etwas Unanständiges gesagt. Dann sackte sie wieder in sich zusammen.
»Alles in Ordnung?«, fragte ich und hasste mich sofort für diese blödsinnige Floskel. Natürlich war überhaupt nichts in Ordnung.
»Ich will zu ihm«, flüsterte sie. »Ich will ihn sehen. Wann können wir endlich ins Genesungshaus?«
»Lucky war von dieser Idee nicht so begeistert«, sagte ich. »Wir sollten uns das gut überlegen.«
»Wir haben keine Zeit, lange darüber nachzudenken«, fuhr sie mich an. »Er kann jederzeit sterben!«
Ich war aufgewühlt und durcheinander und gleichzeitig so berauscht von der Klarheit meiner Gedanken, von der Welt um mich herum, die plötzlich eine ganz andere Art von Schärfe gewann – aber ob ich wirklich nachfühlen konnte, wie es sein musste wenn der eigene Bruder halbtot im Genesungshaus lag?
»Du wäschst dir das Gesicht«, sagte ich. »Und dann gehst du zu deinen Freundinnen und hörst dir ihre Witze an. Heute Abend gehen wir los, egal, ob Lucky mitkommt oder nicht.«
Ich wusste nur, dass ich Star unbedingt dazu bringen musste, sich normal zu verhalten. Ein paar Lehrer gingen an uns vorbei; Gandhi sah etwas zu lange zu
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