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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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kapiert ihr denn gar nichts? Um Luther!«
    Orion griff nach meiner Hand und zog mich zurück auf den Stuhl. Ich erinnerte mich wieder daran, dass wir uns unauffällig verhalten wollten, doch es war schwer, unendlich schwer, sich nichts anmerken zu lassen. In mir schwelten nicht nur kleine Flämmchen. Da war ein Vulkan in meinem Herzen, der ausbrechen wollte. Wut und Verzweiflung und Geschrei.
    »Komm«, sagte er. »Sonst kommen wir zu spät zur Schule. Ich hab ein wichtiges Spiel.«

11.
    Wilde Gefühle. Sie lagen in der Luft. Sie waren stärker als jede Droge. Sie belebten jedes Herz. Es musste doch zu spüren sein – für alle?
    Das Joyspiel war grandios. Obwohl in meinem Kopf ganz andere Sorgen kreisten, lenkte mich das Geschehen auf dem Spielfeld gnädigerweise ab. Die Jungen tobten auf dem künstlichen Rasen, es ging rasant hin und her, und die Begeisterung der Menge war ansteckend. Orion rannte wie ein Sturm über das Feld, überholte alle anderen, ohne zu humpeln, ohne das geringste Anzeichen einer Verletzung. Den Verband hatte er schon vor unserem Haus abgenommen, damit sein Fuß wieder in den Schuh passte. Jeder Schritt, den er dort unten machte, tat mir hier oben auf der Tribüne weh, als würde uns ein Band des Schmerzes verbinden.
    Ich blickte zu Lucky hinüber. Moon saß zwischen uns, aber sie beugte sich gespannt vor, sodass ich ihn verstohlen mustern konnte, wie er stocksteif auf der Zuschauerbank saß und mit unbeweglichem Gesicht aufs Feld starrte. Er schien weder mich noch sonst etwas wahrzunehmen.
    »Los!«, schrie Moon. »Na los, Zeus, gib endlich ab!«
    Orion flog förmlich über den Platz und überholte seinen Mitspieler. Heute traten sie zusammen gegen die Jungs aus dem zweiten Bezirk an. Seine energiegeladenen Bewegungen versetzten wieder einmal die schreienden Mädchen in helle Aufregung.
    »Anscheinend hat Orion sich gut erholt«, meinte Moon fröhlich. »Oder er läuft so schnell, damit er fertig ist, bevor du ihm dazwischenstolperst.«
    »Haha«, sagte ich. Auf Dauer war es anstrengend, bei jedem seiner Schritte zusammenzuzucken.
    Nach dem Sieg über die befreundete Schule bahnten wir uns den Weg durch die schwatzenden jungen Leute und standen plötzlich Star gegenüber.
    Heute war sie so schön, dass sie sogar Moon überstrahlte. Ihr weißes Gesicht bildete einen Kontrast zu dem zauberhaften roten Haar. Ungeweinte Tränen verstärkten den Goldschimmer ihrer Augen. Doch ihre Stimme klang seltsam heiser, als sie sagte: »Ich muss euch was erzählen.«
    Ich wusste es schon, bevor sie es aussprach, und dennoch war es ein Schock.
    »Phil ist tot. Sie haben uns heute Morgen angerufen. Er ist ganz friedlich eingeschlafen, haben sie gesagt. Heute Nachmittag ist die Einäscherung, um sechzehn Uhr in der Halle des Glücks. Kommt ihr?«
    Ich schluckte, wollte mir eine Ausrede einfallen lassen, aber Star klang so verletzlich und hilflos. Ihre Augen waren groß und rund wie die einer Porzellanpuppe, und sie wirkte fremd und zerbrechlich.
    »Ja«, sagte Lucky. »Wir kommen.«
    Mir blieb nichts anderes übrig, als zuzustimmen.
    Moon schenkte Star ein herzliches Lächeln. »Natürlich, Schätzchen. Wir fühlen uns geehrt.«
    Das war nicht die erste Einäscherung, die ich miterleben würde. Ich war dabei gewesen, als meine Großmutter verbrannt worden war, aber damals hatte ich betäubt und lächelnd dagesessen und die schöne Musik, die Blumen und das Essen genossen.
    Durch den durchsichtigen Sargdeckel hatte ich meine Oma betrachten können, bevor sie in die Feuerkammer geschoben wurde, und sie hatte so friedlich dagelegen, das rosa gefärbte Haar wie Zuckerwatte um ihren Kopf, einen Seidenblumenkranz als Kette um den Hals. Wir warteten in einem geschmückten Saal, bis die Zeremonie vorbei war, und gingen dann nach Hause, das Lied des Abschieds noch im Ohr.

    Geh ins Glück, umarme die Sonne
Geh ins Glück, der Weg führt hinauf
Gib dich in den Glücksstrom
Gib dich in den Glücksstrom
Öffne die Hände, öffne die Augen
Geh in die Sonne
    Meine Mutter war danach noch tagelang melancholisch, ihre Bilder von dunklem Blau und Grün, mit grauen Schlieren durchzogen. Sie lagerte sie hinter dem Schrank in der Abstellkammer, denn niemand hätte so etwas kaufen wollen. Keine einzige Blume war darauf. Trotzdem dufteten sie noch immer, aber ich hatte vergessen, wonach.
    Doch diesmal war ich nicht betäubt. Diesmal würde alles anders sein.
    Die Feierhalle war rosa gestrichen. Tausend künstliche Blumen mit

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