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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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die schönste Überraschung, die ich ihr je gemacht habe.«
    »Wenn du mitkommst, wird sie denken, wir beide hätten einen schönen Ausflug vor.«
    »Ich komme aber nicht mit.«
    »Und wenn …« Er überlegte und knetete dabei seine tellergroßen Hände. »Wenn du nur bis zum Zaun mitkämst? Wenn wir zu zweit wegfahren, wird sich niemand wundern. Deine Freundin hat doch ein Auto? Das könnten wir leihen, und nachher bringst du es ihr zurück.«
    »Deswegen bist du hier«, erkannte ich plötzlich. »Weil du ein Auto brauchst! Warum hast du eigentlich keinen eigenen Wagen? Bekommt ihr kein Geld, wenn ihr ein Spiel gewinnt?«
    »Nur bei den ganz wichtigen. Und meine Familie hat immer noch Schulden. Sie warten sehnsüchtig darauf, dass ich endlich mit der Schule fertig bin und ins Profi-Team einsteigen kann.« In seine Stimme mischte sich eine Spur Bitterkeit. Ich erkannte sie; es war wie ein Widerhall meiner eigenen Gefühle. »Daraus wird jetzt wohl nichts werden.«
    »Was ist eigentlich mit deiner Freundin?«, fragte ich. »Willst du sie nicht mitnehmen?«
    »Nein«, sagte er schroff. »Das ist bloß eine Partnerin, die mir von der Behörde der neuen Schöpfung zugewiesen wurde.«
    Jedes Wort troff vor Zorn. Auf einmal war ich froh, dass er nicht auf mich wütend war. Er kam mir vor wie jemand, der einen anderen Menschen ohne Weiteres in zwei Hälften zerteilen konnte.
    Er war gefährlich.
    Mein Körper wusste es, Jahrtausende alte Instinkte waren in ihm lebendig. Ein Schauer lief mir über den Rücken, meine Haare sträubten sich. Etwas in mir, etwas Uraltes, wusste, dass es unklug war, sich in der Nähe eines Mannes aufzuhalten, der breit wie ein Schrank war und stark wie ein Bär und wütend wie ein Tiger. Unberechenbar wie ein wildes Tier. Ein gereiztes Tier, das alle in seiner Nähe zerfetzen konnte.
    Wilde Gefühle. Aggressionen. Krieg. Mord. Totschlag. Es gab keine Sicherheit, wenn jemand seine Welle nicht bekommen hatte. Und mit ihm sollte ich fliehen? Im Moment hätte ich mich am liebsten vor Orion in Sicherheit gebracht.
    »Ich werde Moon fragen«, sagte ich wider alle Vernunft.
    »Gut«, sagte er.
    »Wir müssen sowieso bis morgen warten. Jetzt aufzubrechen hat keinen Sinn.« Ich rechnete damit, dass er aufstand und wieder aus dem Fenster kletterte, dann fiel mir ein, dass es keinen Grund mehr gab, geheimnisvoll zu tun. »Du kannst vorne raus. Meine Mutter hat dich sowieso gesehen.«
    Sobald sein Fuß den Boden berührte, stöhnte er auf.
    »Nicht so laut!« Es war mir egal, ob ich mir selbst widersprach. »Was glaubst du, denken die, was wir machen?«
    »Was wohl?«, ächzte er, und mir kam der Verdacht, dass er das irgendwie lustig fand.
    Ich schaltete das Licht wieder an. Ein Fehler, denn er verzog gerade dermaßen schmerzerfüllt das Gesicht, dass ich unwillkürlich Mitleid hatte. Ganz gegen meinen Willen. Orion war wirklich nicht der Typ, dem man Trost spenden wollte, aber in diesem Zustand konnte ich ihn nicht wegschicken.
    Wenn ich ehrlich sein sollte – es war nicht bloß Mitleid, was es mir verbot, ihn vor die Tür zu setzen. Der Anflug eines schlechten Gewissens plagte mich, denn immerhin hatte er diese Verletzung mir zu verdanken.
    »Na gut«, sagte ich. »Du kannst hierbleiben.«
    Prompt drehte er sich um und schnarchte los.
    Verdattert wartete ich darauf, dass er wieder aufsprang und »kleiner Scherz« oder so sagte. Aber er schlief tief und fest, da, wo er war.
    Offenbar fühlte er sich in meinem Bett wohl.
    Ich versuchte, die Decke unter ihm hervorzuziehen, aber er war viel zu schwer, es war zwecklos. Schließlich blieb mir nichts anderes übrig, als so gut es ging unter die Decke zu kriechen und den massigen Riesen auf meiner Matratze zu ignorieren. Ich rollte mich seufzend auf meinem Kissen zusammen.
    Das würde eine ungemütliche Nacht werden.
    Es überraschte mich, aufzuwachen, denn ich hatte nicht erwartet, überhaupt einzuschlafen. Nicht mit Orion in meinem Bett und seinem verrückten Fluchtplan im Hinterkopf. Doch als am Morgen der Wecker schrillte, fand ich mich halb über meinem nächtlichen Besucher liegend, den Kopf auf seinem Brustkorb, den ich im Schlaf offenbar für mein Kissen gehalten hatte, das ich stattdessen über meinen Beinen drapiert hatte.
    Vorsichtig richtete ich mich auf, sammelte die Klamotten auf, die ich heute anziehen wollte, und verschwand damit im Badezimmer. Als ich fertig war, werkelte meine Mutter bereits summend in der Küche, und der Duft frischen

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