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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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trug er wie ein Kind einen kleinen, schmalen Mann, der leise stöhnte. Alfred Macintosh, den Arzt.
    »Lass ihn los!« Zwei Frauen versuchten, Orion den Verletzten abzunehmen, doch er beachtete sie gar nicht. Er stand da wie betäubt und schien niemanden wahrzunehmen.
    »Orion«, sagte ich. »Orion, hey, du hast es geschafft. Du bist angekommen.«
    Er holte seinen Blick zurück, von einem fernen Ort, und richtete ihn auf mich. »Peas«, flüsterte er.
    Ich trat noch einen Schritt näher. »Ja«, sagte ich. »Du bist angekommen. Gib ihnen den Doktor. Sie werden sich um ihn kümmern.« Ich berührte seine Hände. Sie fühlten sich an, als wären sie aus Stein. »Orion, bitte.«
    Endlich lockerte er seinen Griff, und gerade noch gelang es den Frauen, Alfred aufzufangen. Mit Hilfe einiger Männer trugen sie ihn weg. Und Orion fiel auf die Knie.
    Ich wollte seine Hände nehmen, sie festhalten, bis sie wieder warm wurden, doch da spürte ich einen Arm um meine Schultern.
    »Komm ins Zelt zurück«, sagte Ricarda. »Mach dir keine Sorgen. Auch um ihn wird sich jemand kümmern.«
    Ich hatte keine Kraft, mich ihr zu widersetzen. Sie führte mich zum Zelt, zu meiner Schlafmatte, und deckte mich zu. Die wohltuende Stille fiel mir auf; zum Glück hatte der Junge endlich aufgehört zu heulen. Ich war weggetreten, bevor mein Kopf das Kissen berührte.

21.
    Paulus verlangte mich zu sehen. Ich hatte ihn noch nie gesehen, ich kannte seine Stimme nicht, doch die Art, wie der Fremde vor dem Zelt mit der Frau sprach, die mich aufgenommen hatte, deutete unzweifelhaft auf einen Anführer hin. Durch die Plane sah ich nur einen Schatten am Eingang.
    Mir gegenüber saß Benni und hatte wieder sein wortloses Wimmern angestellt. Er schaute mich an, aber ich hatte das Gefühl, dass er mich gar nicht wahrnahm. Das Geräusch war so nervtötend, dass ich die Zähne zusammenbeißen musste, um ihn nicht zu schütteln.
    »Du kannst da nicht rein!«, protestierte Ricarda. »Sie schläft. Sie braucht Ruhe und eine warme Mahlzeit und Zeit. Vor allem Zeit. Sie ist noch ein halbes Kind!«
    »Wir haben keine Zeit.« Der Mann klang völlig unaufgeregt, sanft und doch sehr bestimmt. »Und erst recht hat hier niemand Zeit, ein Kind zu sein.«
    Ich setzte mich auf. Ricarda hatte unrecht – ich brauchte nicht nur etwas zu essen, sondern ganz dringend auch ein Bad und etwas Sauberes zum Anziehen. Und Ruhe hatte ich hier ganz bestimmt nicht. Benni schaukelte hin und her, während er Sirene spielte. Die dunklen Haare fielen ihm in die Stirn.
    »Hey«, sagte ich leise. »Benni, nicht wahr? Sag mal, was soll das? Kannst du mal einen Moment – wenigstens einen einzigen Moment! – still sein?«
    Der Junge hielt kurz inne, bevor er mit seinem eintönigen Singsang fortfuhr.
    Draußen stritten die Erwachsenen.
    »Der Soldat schläft doch auch noch, soviel ich weiß, oder? Macht es nicht Sinn, sie beide zusammen zu befragen?«
    Und wieder schmerzte es unerträglich, dass wir nur zu zweit hier angekommen waren.
    »Sag mir nicht, wie ich meine Arbeit zu tun habe!« Paulus klang mehr als verärgert.
    »Dann sag du mir auch nicht, wie ich mit meinen Kindern umgehen soll. Ich werde dir mitteilen, wenn das Mädchen so weit ist. Ich und niemand sonst!«
    Ich duckte mich unwillkürlich, als jemand das Tuch, das den Eingang verhängte, zur Seite schob, doch es war zum Glück bloß Ricarda, kein fremder Mann, der mich verhören wollte. Ihr Lächeln offenbarte eine Reihe schiefer, fleckiger Zähne. »Wie geht es dir, Pia?«
    »Kann ich mich hier irgendwo waschen?«, wollte ich wissen. »Dann rede ich auch mit dem Typen da draußen. Aber bitte nicht so.«
    »Kann ich gut nachvollziehen. Wir haben hier einen See. Ich schicke Jeska zu dir, damit sie dich begleitet.«
    »Kann man da nichts tun?« Ich wies auf Benni. »Es muss doch etwas geben …?«
    Ricarda hörte auf zu lächeln. »Du wirst ihn akzeptieren müssen, so wie er ist. Geh jetzt baden.«
    Bloß raus hier. Weniger erfreut war ich allerdings von der Aussicht, die gewohnte heiße Dusche gegen kaltes, dreckiges Seewasser zu tauschen.
    Das Mädchen namens Jeska, das mich durch das Lager aus grünbraunen Zelten zum Ufer führte, war ein paar Jahre jünger als ich, aber genauso groß. Ich fand sie schrecklich mager. Die grünbraune Kleidung, die hier alle trugen, schlotterte ihr um den Leib.
    »Was ist, wenn man die Farbe nicht mag?«, fragte ich und dachte dabei an Moon und ihre Röcke in Pink oder Himmelblau. »Gibt es hier

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