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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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den Pinsel in Grün und Blau und mischte Grau und Schwarz mit hinein, bis das Dunkle die Farben in einem haltlosen Wirbel verschlang.
    Orion saß auf einer Matte, die Arme um die Knie geschlungen. Er sah erschöpft aus, mit dunklen Ringen um die Augen, aber als er den Blick hob, war ich doch froh darüber, dass er wieder wie er selbst wirkte. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was er durchgemacht hatte. Alfred hatte den Sender herausoperiert, während die Jäger schon im Anflug waren; für eine Narkose war keine Zeit gewesen. Gleich danach war Orion mit dem verletzten Bein und der frisch aufgeschnittenen Schulter durch den Wald gerannt und hatte dabei auch noch Alfred getragen. Eigentlich gehörte er ins Genesungshaus.
    Aber sein Lächeln war ohne Schmerz, sein Lächeln war das eines Mannes, der genau dort ist, wo er sein will.
    Neben ihm saß Rightgood. Ich freute mich, dass er es ebenfalls geschafft hatte, den Bomben und Mördern zu entkommen; schuldbewusst musste ich mir eingestehen, dass ich kaum noch an ihn gedacht hatte. Ihm gegenüber hatte ein Mann Platz genommen, den Ricarda mir vorstellte, indem sie sagte: »Paulus, das ist Pia. Ich verlasse mich darauf, dass du freundlich zu ihr bist, sonst gehen wir wieder.«
    Paulus lächelte grimmig. Er war ein recht gut aussehender, glatt rasierter Mann mit blonden Haaren, die ihm bis über die Augenbrauen fielen. Trotzdem verbargen die Strähnen nicht das kleine schwarze Kreuz auf seiner Stirn. Er war wie die übrigen unauffällig in Tarnfarben gekleidet, nur das große runde Medaillon um seinen Hals zog den Blick auf sich – eine Metallplakette mit den Buchstaben N und F darauf. Die gleiche, die auch Gabriel besaß. Links von ihm saßen Helm und Jakob und flüsterten miteinander, verstummten jedoch sofort, als Paulus zu sprechen begann.
    »Ihr kommt spät.«
    Ricarda nahm meine Hand und zog mich auf eins der Sitzkissen hinunter. »Manche Dinge brauchen ihre Zeit. Hat der Junge keine Eltern, die für ihn sprechen?«
    »Dieses Gespräch dient unter anderem der Klärung, ob er welche verdient«, sagte Paulus.
    Meine neue Mutter nickte, was offenbar als Startschuss für die Befragung diente.
    »Also …«, begann Paulus, doch in diesem Moment stolperte Gabriel ins Zelt, fing sich rasch wieder, warf einen neugierigen Blick zu Orion und Rightgood hinüber und nahm an Paulus’ freier Seite Platz.
    »Können wir jetzt endlich beginnen?«
    Gabriel hob entschuldigend die Hände.
    Danach gab es keine Unterbrechung mehr. Paulus wollte alles wissen. Über unsere Flucht. Über die Welle. Darüber, wie wir die Zeit zwischen der missglückten Injektion und der Nacht am Tor zugebracht hatten. Zwischendurch knurrte mein Magen so laut, dass ich rot wurde, aber Paulus machte einfach weiter. Besonders interessierte ihn Orions Fluchtversuch am Südtor.
    »Was genau hast du dort gesehen? Die Lebensmittel, die für die Wildnis bestimmt sind? Wie die Waggons beladen wurden?«
    »Ja«, sagte Orion. »Sie hatten dort Fässer und Kisten. Ich denke immer noch darüber nach, ob es nicht besser gewesen wäre, auf diesem Weg zu verschwinden.«
    »Wenn du in eins jener Fässer gekrochen wärst, wärst du jetzt vermutlich tot«, sagte Helm und lachte. »Sie sind randvoll mit Gift.«
    »Wie bitte?«, fragte ich erschrocken. »Aber wir spenden den Armen hier draußen doch bloß die Reste!«
    »Reste, die mit diversen Mittelchen versetzt sind«, sagte Helm. »Es gibt immer noch Leute, die es trotzdem wagen, sich daran zu bedienen. Der Hunger treibt sie an, wer könnte es ihnen verdenken? Aber sie wissen nie, was sie erwartet. Tödliches Gift? Bewusstseinsverändernde Drogen? Essen, so bitter, dass man es nicht bei sich behalten kann? Neustadts Gaben an die Wildnis sind bloß ein Teil der grausamen Spielchen, die sie mit uns treiben.«
    Das konnte ich nicht so recht glauben. Fragen meinerseits würgte Paulus jedoch ab. Abwechselnd verlangte er Details von Orion und mir. Keiner von uns wollte über Star reden, doch da wir Helm schon erzählt hatten, dass ein Mädchen bei der Flucht gestorben war, blieb uns nichts anderes übrig. Ich zerquetschte Orions Finger fast, während ich von unseren Besuchen im Genesungshaus berichtete.
    »Marty Mozart? Der Sohn des Ministers? Der Glücksminister hat ein herzkrankes Kind?« Ricarda lachte bitter. »So viel Herz trauen wir den Regs normalerweise nicht zu.«
    »Ich will euch mal was sagen«, begann Paulus, nachdem er eine Weile nachgedacht hatte. »Die Geschichte

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