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Wild (German Edition)

Wild (German Edition)

Titel: Wild (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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fragen müssen.
    Mein Körper wechselte unvermittelt das Thema, indem er sich mit einer nicht zu überhörenden Botschaft meldete. Mein Magen grummelte bedrohlich.
    »Ich hoffe, die Fischer hatten Erfolg«, sagte Ricarda. »Aber die Zubereitung dauert eine Weile. Wenn wir Glück haben, hat Jeska in der Zwischenzeit ein Frühstück aufgetrieben.«

23.
    Ich wünschte mir, zu verschwinden. Nach dem Marsch und der Flucht tat mein ganzer Körper weh, aber mich auszuruhen, war unmöglich, weil Benni unentwegt in diesem penetranten hohen Ton jammerte, der mich zur Weißglut trieb. Schließlich gab ich es auf und ging an den See, wo Orion im hohen Gras saß und Steine ins Wasser warf. Ich sah eine Weile zu, wie sie über die dunkle Oberfläche hüpften. Wolken waren aufgezogen und färbten den See dunkelgrau.
    »Setz dich ruhig«, sagte er zu mir. »Es gibt hier Ameisen, aber ansonsten ist es sauber. Hörst du diese Geräusche vom See her? Enten. Teichhühner. Unglaublich, wie viel Leben sich hier versammelt.« Seine schwarzen Haare waren nass. Er duftete nach Wasser und Gras und Seife. Die Kleidung, die sie für ihn aufgetrieben hatten, passte ihm nicht – die Ärmel waren zu kurz und das grünbraune Tarnhemd hatte er vorne offen gelassen. Da er barfuß war und mit den Zehen im schlammigen Kraut grub, fiel es kaum auf, dass die Hosenbeine auf halber Höhe der Waden endeten.
    »Haben sie nichts Besseres zum Anziehen für dich?«
    »Meine eigenen Sachen hängen zum Trocknen in einem Baum«, sagte er. »Es geht ihnen gegen den Strich, aber ich bekomme sie wieder. Selbst Paulus musste zugeben, dass ich so nicht herumlaufen kann.«
    »Der gute Paulus. Hat er sich endlich entschieden, was er mit dir macht?«
    »Noch nicht. Seine Majestät überlegt noch.« Da war es wieder, ein Aufblitzen von … von was? Wut? Wahnsinn? Er lächelte, aber ich traute diesem Lächeln nicht.
    »Hey«, sagte ich leise und griff nach seiner Hand. »Wenn er dich in eine andere Gruppe schickt, gehe ich mit, das ist dir doch klar?«
    »Ich bin nicht hergekommen, um in eine neue Art von Gefangenschaft einzutreten«, sagte er leise. Da war diese Wildheit in seinem Blick, wie eine fremde Seele in seinen Augen. »Was ist daran so lustig?«
    »Nichts«, sagte ich, doch ich konnte das Lächeln nicht bezähmen, das auf meinem Gesicht wuchs. »Ich bin nur erleichtert.«
    »Erleichtert? Worüber?«
    Ich ließ nicht zu, dass er mir seine Hand entzog. »Dass du so denkst wie ich. Keine Gefangenschaft. Kein aufgezwungenes Glück. Wir könnten noch weiter in die Wildnis gehen, wenn es nötig ist.« Doch während ich sprach, wurde mir bewusst, was dieses »Weiter« bedeutete – nicht nur noch mehr Wildnis (und reichte mir das hier nicht schon?), noch mehr Gefahr (und wir waren nur knapp entkommen, was wussten wir, was noch alles in diesen Wäldern lauerte?), noch mehr Hunger und Frieren, Nässe und Schmutz, sondern vor allem noch weiter weg von Lucky.
    Ich sah auf den See hinaus und stellte mir vor, dass Lucky neben mir saß, gerade so nah hinter mir, dass ich seine Anwesenheit spüren konnte.
    Was für ein fantastischer Anblick, sagte er. Ich blickte mich nicht um, weil ich die Illusion nicht zerstören wollte, aber ich wusste, sein Lächeln würde warm und verträumt sein. In seinen Augen würde so viel Glück liegen, dass es wie ein Funke war, der in meinem eigenen Herzen ein Feuer aus singender Zufriedenheit entfachte.
    Findest du?, fragte ich zurück und tat trotzig. Alles ist grau und mir tun sämtliche Knochen weh und überhaupt sind hier alle viel unfreundlicher als zu Hause.
    Aber Lucky lachte bloß. Ja, ich wusste, dass er darüber nur lachen würde.
    In meiner Brust war ein merkwürdiges Ziehen.
    »Es wäre dumm, jetzt schon zu gehen. Ich weiß noch zu wenig darüber, wie man hier überlebt. Also spielen wir erst einmal mit.« Orion beobachtete mich, aber er wusste nicht, dass ich nicht alleine hier war, sondern dass Lucky bei mir war wie ein unsichtbarer Schatten. »Sei froh, dass du gut untergekommen bist. Der liebe Doktor hat nicht einmal ein Zelt, und ich werde im Freien schlafen müssen. Das alte ist in Flammen aufgegangen. Wir müssen uns irgendwie anders behelfen, bis wir ein neues haben. Alles ist hier knapp.« Er zupfte an seinen Ärmeln.
    »Hier seid ihr ja.« Jeska stapfte durchs Gras auf uns zu und rieb sich die dünnen Arme. Der Wind frischte auf und es begann zu nieseln. Winzige Punkte störten den glatten Spiegel des Wassers. »Habt ihr es

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