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Wild und frei

Wild und frei

Titel: Wild und frei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lane
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auf und lief um den Tisch herum, um dem alten Mann den Rücken zu klopfen, bis seine erhobene Hand ihr zeigte, dass es ihm wieder besser ging. Als der Husten nachließ, beugte sie sich tiefer zu ihm hinab und führte den Krug an seine aufgesprungenen Lippen. Er scheuchte sie weg.
    “Nun übertreib doch nicht so!” stieß er hervor. “Ich bin ein Mann, kein tattriger Greis, den man füttern und säubern muss.”
    “Aber das weiß ich doch.” Rowena seufzte, als sie sich zwang, nicht dem Drang nachzugeben, ihm einen Speicheltropfen vom Kinn zu wischen. Erst da sah sie den zusammengefalteten Brief, dessen Siegel bereits aufgebrochen war, neben dem Teller ihres Vaters liegen. Sie stieß einen Seufzer aus, als sie die seltsam links geneigte Handschrift erkannte.
    “Nicht schon wieder Edward Bosley! Was will er diesmal?”
    “Da fragst du noch?” Sir Christopher zerknüllte den Brief mit seinen arthritischen Händen. “Der Lump hat schon wieder kein Geld und bittet um eine Zuwendung! Nur weil er die jüngere Schwester deiner Mutter geheiratet und sie vor der Zeit ins Grab getrieben hat, meint er, er habe ein Recht mich zu schröpfen!”
    “Schreibt ihm, dass er nichts bekommt”, entgegnete Rowena. “Genau das würde ich tun, wenn ich zu entscheiden hätte.”
    “Selbst dann, wenn er dir mitteilte, dass er am Theater keine Arbeit mehr finden kann und sein Vermieter ihn daher auf die Straße setzen will – was ihn wiederum zwingen würde, hierher zu kommen und bei uns Schutz zu suchen?”
    Rowena ließ die Schultern sinken, als sie an Edward Bosleys letzten Besuch dachte. “Wie viel will er?”, fragte sie.
    “Zwanzig Pfund. Dieses Mal.”
    “Und ich wette, nächsten Monat weitere zwanzig Pfund. Na gut, ich werde mich darum kümmern, dass das Geld geschickt wird.” Rowena kehrte zu ihrem Stuhl zurück und zwang sich, einen Löffel Haferbrei zu essen. “Nun zu dem Wilden, Vater …”
    Er sah sie missmutig an und kniff die Augen hinter den Brillengläsern scharf zusammen. “Nein, Rowena”, unterbrach er sie. “Ich weiß, wohin dieses Gespräch führt, und es hat keinen Sinn …”
    Er verstummte, als Thomas in die Halle gestürmt kam. Der stämmige Bursche war völlig außer Atem. Aus seinem fleischigen Gesicht war jede Farbe gewichen.
    “Es geht um den Wilden, Sir!” Thomas keuchte. “Er schien zu schlafen, also habe ich Dickon gesagt, er solle die Tür öffnen und den Exkrementenkübel rausholen. Der Bastard ist auf den armen Dickon losgegangen und hat ihn an der Gurgel gepackt. Ich hab es gerade noch geschafft, die Tür zu schließen, aber Dickon ist jetzt im Kerker bei dem Wilden eingeschlossen – das heißt, wenn der ihn nicht schon umgebracht hat!”
    “Verdammter Narr!” Sir Christopher war schon auf den Beinen. “Da siehst du, was du angerichtet hast!”, sagte er, indem er sich ärgerlich an Rowena wandte. “Deine sogenannte Freundlichkeit hat nur dazu geführt, dass die Angst dieser Kreatur vor uns geringer geworden ist! Nun gibt es nichts als Ärger!”
    “Bitte, Sir, beeilt Euch!” Thomas quollen die Augen fast aus dem Kopf. “Der rothäutige Heide schreit dauernd etwas von einem Schlüssel! Wenn wir nicht schnell machen, dass wir runterkommen …” Der Rest war nicht mehr zu verstehen, denn er fuhr herum und rannte zum Flur zurück. Sir Christopher, den seine Arthritis quälte, folgte ihm, so schnell er konnte.
    Rowena stieß sich an der Hüfte, als sie um den Tisch herum hinterherstürzte. Der schwere Schlüsselbund an ihrer Taille klirrte, als er gegen das Holz schlug.
    Ihr Vater hielt inne, schaute sich um und warf ihr einen strengen Blick zu. “Und wo willst du hin?” verlangte er zu wissen.
    “Ich komme mit Euch”, antwortete Rowena. “Falls ich helfen kann …”
    “Hast du nicht bereits genug Unheil angerichtet? Bleib hier oben, wo du hingehörst!”
    “Bei allem nötigen Respekt, Vater …” Sie wollte fortfahren, aber dies war nicht der richtige Zeitpunkt für einen Wortwechsel, das wusste sie genauso gut wie er. Mit einem empörten Schnaufen machte Sir Christopher auf dem Absatz kehrt und humpelte wütend Richtung Flur. Rowena raffte ihre Röcke und eilte ihm nach. Dickon konnte trotz seiner Größe und Stärke keiner Fliege etwas zuleide tun. Er war ein unschuldiges Geschöpf mit dem Verstand eines Kindes. Er war auf dem Landsitz aufgewachsen und hatte ihr beigebracht, ihr erstes Pony zu reiten. Rowena ertrug den Gedanken nicht, dass ihm etwas zustoßen

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