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Wild und frei

Wild und frei

Titel: Wild und frei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lane
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wurde das Herz schwer, als er erkannte, dass an dem Bund mehr Schlüssel in einer verwirrenden Vielfalt von Formen und Metallen hingen, als er Finger an beiden Händen hatte. Er hatte gedacht, mit einem Schlüssel könnte man alle Schlösser öffnen. Erst jetzt fiel ihm auf, wie sehr er sich geirrt hatte. Schlüssel schienen so verschiedenartig zu sein wie die Menschen, jeder passte in sein eigenes Schloss wie ein Mann zu der Frau, die er liebte. Die Wahrscheinlichkeit, dass einer dieser Schlüssel zu den Fesseln vom großen Schiff passte, war tatsächlich sehr gering.
    Die große Frau fummelte an dem Schlüsselbund herum, wählte einen großen Schlüssel aus und führte ihn zu dem Schloss, welches das Eisen um sein Handgelenk zusammenhielt. Black Otters Blick glitt rasch vom Schloss zum Schlüssel, der viel zu groß für die winzige Öffnung war. Sah sie denn nicht, dass er nicht passen konnte?
    Sie tat verblüfft, während sie versuchte, den Schlüssel mit Gewalt in das Schloss zu zwängen. Was für ein Spiel spielt sie eigentlich?, fragte sich Black Otter. Glaubte sie wirklich, er wäre so dumm, darauf hereinzufallen?
    Vom Ende der Treppe hörte Black Otter die gedämpften Rufe des alten Häuptlings und das Hämmern seiner Fäuste gegen die Tür. Warum war der Alte aus diesem dunklen Ort ausgesperrt worden? Und warum hatte ausgerechnet eine Frau ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um sein Gefängnis zu betreten? So viele Fragen – und keine Antworten.
    Der Moschusduft ihres Haares drang in Black Otters Nase, als sie dichter an ihn herantrat. Der Gestank der Weißen erfüllte ihn für gewöhnlich mit Widerwillen. Er war strenger und schärfer als der Geruch seines Volkes. Aber der Duft dieser Frau erregte ihn. Black Otter wappnete sich gegen ihre Nähe, als sie einen weiteren Schlüssel auswählte, der ebenfalls viel zu groß war. Sie wollte nur Zeit gewinnen, erkannte er, und seine Stimmung verdüsterte sich. Keiner ihrer Schlüssel würde ihn von seinen schrecklichen Fesseln befreien.
    Ihre Hand streifte ihn in einer kühlen, sanften Berührung. Black Otter musste sich zurückhalten, um nicht seinen Arm wegzuziehen und sie zurechtzuweisen. Sollte sie doch mit ihrem Unfug weitermachen. Er konnte nirgendwohin. Und sie gab eine viel bessere Geisel ab als der flennende Feigling, den er freigelassen hatte. Ihr Mannsvolk würde einiges dafür geben, eine Frau wie sie zu retten.
    “Wie heißt du?” Ihre Katzenaugen funkelten ihn an, als sie sprach. Black Otter verstand ihre Frage, zog es jedoch vor, nicht zu antworten. Ihr seinen Namen zu sagen würde bedeuten, dass er einen Teil von sich preisgab – eine Macht, die sie gegen ihn verwenden konnte, wenn sie wollte.
    “Ich heiße Rowena”, sagte sie und berührte ihre Kehle mit der freien Hand. “Rowe-na.” Sie zögerte, als erwartete sie, dass er diese drei Silben nachsprechen würde. Black Otter blickte teilnahmslos über ihren Kopf hinweg zur Tür und zwang sich, Rowena nicht zu beachten. Aber sein Geist war nicht so leicht zu beherrschen, und sein Körper erst recht nicht.
    Er konnte nicht vergessen, wie er sie in der Nacht berührt hatte – ihren Duft, ihre zarte Haut und die sanfte Wölbung von Taille und Hüften unter seiner suchenden Hand. Er erinnerte sich, wie sie heftig geatmet hatte und ihr Herz plötzlich schneller schlug. Ja, trotz ihres bleichen Gesichtes und der goldbraunen Augen war sie eine Frau wie jede andere.
    “Rowena.” Sie wiederholte den Namen, als wäre er schwer von Begriff. “Ich bin deine Freundin.”
    Den letzten Satz verstand Black Otter nicht. So etwas hatte er nicht von den Männern auf dem großen Schiff gehört. Die Worte machten ihn neugierig. Aber jetzt war nicht die Zeit, mehr von einer Sprache zu lernen, die er verachtete.
    “Öffnen!” Er schüttelte seine gefesselte Hand vor ihrem erschrockenen Gesicht. “Öffne es!”
    Furcht flackerte in ihren goldbraunen Augen auf, aber sie wich nicht zurück. Draußen vor dem Verlies sah Black Otter die beiden Männer. Einer drängte sich gegen die Gitterstäbe, der andere lag noch zusammengesunken auf den Fässern – Feiglinge, alle beide. Nur die Frau trat ihm mit dem Mut eines Kriegers entgegen. Dafür musste er ihr widerwillig Respekt zollen.
    Aber ihr Spiel ermüdete ihn allmählich. Mit oder ohne Schlüssel, es musste einen Weg geben, um die Qualen durch die scheuernden Eisenbänder und schweren Ketten zu beenden. Die Männer würden den Schlüssel herbeischaffen müssen, wenn

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