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Wild und frei

Wild und frei

Titel: Wild und frei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lane
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schwarzäugigen indianischen Schönheit, die genauso leidenschaftlich war wie er.
    Wie hatte sie nur annehmen können, dass er sie begehrte? Sie war alles andere als eine Schönheit, und ihre Jugendblüte lag hinter ihr. Er wollte ihr Mitleid und hoffte auf ihre Hilfe. Auf seine verzweifelte Art benutzte er sie.
    Sie zog ihre Hände zurück, legte sie in den Schoß, verschränkte die Finger und presste sie zusammen. Es wurde Zeit, dass sie erwachsen wurde und der Wahrheit ins Gesicht sah. Niemals würde ein Mann sie begehren, es sei denn, er wollte etwas anderes – ihr Haus, ihr Land oder ihre Hilfe. Selbst der schmierige Edward Bosley, der Witwer ihrer Tante, der ihr bei seinem letzten Besuch in der Halle aufgelauert und grob ihren Busen begrapscht hatte, wollte sie nur verletzen und demütigen. Rowena hatte ihm das Gesicht zerkratzt und war geflüchtet, während er blutend in seine Kammer zurückgestolpert war.
    Inzwischen hatte der Wilde zwei weitere Figuren in den Sand gezeichnet. Diesmal, – ja, um Himmels willen, sie hätte es sich denken können, dass es Kinder gab. Sie sah sie jetzt, einen Jungen und ein Mädchen, gezeichnet von einer Hand, die das Messer fest umklammert hielt. Nun sah er sie nicht an. Genau genommen schien es, als ob er vermeiden wollte, sie anzusehen, während er sich auf der Sandbank weiterbewegte und mit einem kräftigen Strich die Küstenlinie markierte und ein paar Wellen hinzufügte, um das Meer anzudeuten.
    Er war ein geschickter Künstler. Das Segelschiff, das er skizzierte, war klar als eine Fregatte zu erkennen. Zweifellos hatte ihn jede Einzelheit des Schiffes fasziniert. Seine Züge verfinsterten sich jedoch, als er gezackte Linien über dem angedeuteten Dorf in den Sand ritzte. Er presste die Lippen zusammen, seine Augen verengten sich zu Schlitzen. Ja, er zeichnete Feuer. Rowena konnte die tanzenden Flammen beinah vor sich sehen, beinah den Rauch riechen und die Angstschreie hören. Die Ungeheuer an Bord der Fregatte waren gnadenlos gewesen.
    Der Wilde stieß so heftig den Atem aus, dass es sich wie ein Zischen anhörte, als er die Messerspitze mit einem kräftigen Stoß in die Figur der Frau rammte, und dann wieder und wieder auf sie einstach und den Sand aufwühlte, bis von der anmutigen kleinen Zeichnung nichts mehr zu sehen war.
    Rowena schnürte es vor Entsetzen fast die Kehle zu. “Sie … ist gestorben?”
    Sein schmerzzerfurchtes Gesicht war Antwort genug.
    “Und deine Kinder?”
    Falls der Wilde sie verstanden hatte, ließ er es sich nicht anmerken. Er war tief in Gedanken, versunken in dem Albtraum seiner Erinnerungen. Wieder stieß er mit dem Messer zu und zeichnete einen Kreis um die Figur des Mannes. Noch fester umklammerte er den Griff und zog eine tiefe Furche zur Fregatte hin. Diesen Teil der Geschichte kannte Rowena bereits. Aber eine Frage blieb noch unbeantwortet.
    Sie deutete auf die Figuren der beiden Kinder.
    “Was ist aus ihnen geworden?”, fragte sie.
    Erst da sah er wieder zu ihr auf. Es war der gleiche Blick voller Qual und ohnmächtiger Wut, den sie am ersten Tag gesehen hatte. Rowena erkannte, dass er ihr alles gesagt hatte, was er wusste. Er hatte seine Kinder verloren. Es gab für ihn keine Möglichkeit, herauszufinden, ob sie tot oder lebendig waren. Ja, das war das Schlimmste. Das Verlangen, endlich Gewissheit zu haben, würde ihm Tag und Nacht keine Ruhe lassen, wie ein Dämon in seiner Seele.
    “Es tut mir leid.” Die Worte kamen unwillkürlich, während sie seinen Arm berührte. Der Wilde wich wie ein scheues Tier zurück und warf ihr einen dermaßen zornigen Blick zu, dass sie erschrocken zurückwich. Aber ihr Rock war unter seinem Knie eingeklemmt. Zitternd vor blinder Wut sah er auf sie herab. Jetzt war sie der Feind. Ihre Leute hatten sein Dorf verbrannt, seine Frau gemordet und ihn von seinen Kindern fortgerissen. Jetzt hatte er Gelegenheit, wie ein Krieger Rache zu nehmen.
    Ein Sonnenstrahl fiel auf die Klinge in seiner Hand. Seine Augen glänzten wie die eines verwundeten Tiers. Rowena wollte zurückweichen, als er den Arm hob, aber sie war gefangen. Es gab kein Entkommen. Ein Zucken durchlief ihn, als er die tödliche Klinge nach unten stieß … und sie eine Handbreit neben ihr in die Erde rammte.
    Sein Atem wurde zu einem Stöhnen, als er über ihr in sich zusammensank, das Gesicht vor Scham verzerrt. Er war ein Krieger, das sogenannte zivilisierte Leben war ihm fremd, aber er konnte sie nicht töten – nicht einmal, um die

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