Wild und frei
Holzbrücke, keinen Steinwurf weit entfernt.
Starr blickte er dorthin. Dann, als das donnernde Geräusch immer näher kam, fühlte er, dass Rowena ihn heftig am Arm zog.
“Runter!”, flüsterte sie. Er verstand sofort und ließ sich neben ihr ins Gestrüpp fallen. Dort, versteckt hinter Felsen und überhängenden Weidenzweigen, beobachteten sie die Brücke und warteten.
Als das Getöse sich näherte, hörte Black Otter, dass es nicht ein einziges Geräusch war, sondern sich aus vielen verschiedenen Geräuschen zusammensetzte – dem gleichmäßigen Donnern von Hufen, dem Klirren von Metall und dem Schnauben großer Tiere. Er spürte Rowena neben sich. Und er spürte, dass sie Angst hatte, und zwar nicht um sich, sondern um ihn. Er erinnerte sich, wie sie ihn in der Dunkelheit seines Verlieses mit Nahrung und einer wärmenden Decke versorgt hatte. War es möglich, dass dieses fremdartige Wesen ihn zu schützen versuchte?
Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als das eigenartigste Gefährt, das er je gesehen hatte, auf die Brücke rumpelte. Dieser Anblick ließ Black Otter den Atem stocken. Bei der Fahrt vom Meer zum großen Wigwam, als alle seine Knochen durchgerüttelt worden waren, hatte er bereits eine Ahnung davon bekommen, wie die Weißen reisten. Aber damals war er angekettet und von Kopf bis Fuß in ein zerrissenes Segel geschnürt gewesen, halb betäubt von dem Schlafmittel, das man ihm ins Essen gemischt hatte. Nun hockte er da und blickte beinahe ehrfürchtig nach oben.
Ein flaches Gestell von der Länge eines großen Kanus rumpelte auf vier sich drehenden Rädern über die Brücke. Er konnte Kisten und Bündel erkennen, die darauf gestapelt waren, und die drei Menschen – zwei Männer und eine Frau – die vorn auf der Bank saßen. Das war schon erstaunlich genug – aber die vier hirschartigen Tiere, die das Gestell zogen, raubten ihm vollends den Atem. Es waren riesige Geschöpfe, so braun wie poliertes Hickoryholz, mit breitem, muskulösem Brustkorb und sich blähenden Nüstern. Ihre enormen Hufe wühlten den Schmutz auf, als sie über die Brücke und außer Sicht rasten.
“Pferde”, flüsterte Rowena dicht an seinem Ohr. “Pferde.”
Pferde.
Black Otters Lippen formten das Wort, als die Erscheinung verschwand. Er hatte von solchen Tieren gehört. Reisende aus dem Süden hatten Geschichten davon erzählt, und sie wurden von Dorf zu Dorf weitergetragen. Ihm war zu Ohren gekommen, dass weiße Männer auf ihren Rücken saßen, wenn sie wie der Wind in die Schlacht stürmten. Er hatte sie als Gerüchte abgetan – bis heute.
Rowena berührte seinen Arm, als er immer noch wie gebannt auf die nun leere Brücke starrte. Die heftige Reaktion seines Körpers, der von einer plötzlichen Hitze durchströmt wurde, überraschte ihn. Die Wärme dieser Frau ging auf ihn über, er atmete ihren moschusartigen Duft ein und spürte, wie Hitze seine Lenden durchzuckte.
In diesem Augenblick der Gefahr, da er nur an seine Flucht denken sollte, ertappte Black Otter sich dabei, wie er sich an das Gefühl ihres schlanken Fußes in seiner Hand erinnerte und wie er dagegen angekämpft hatte, seine Finger weiter nach oben gleiten zu lassen, um ihre Hüften und die lockende Stelle zwischen ihren Beinen zu berühren.
Black Otter errötete, als ihm seine heftige Erregung bewusst wurde. Er wagte nicht, nach unten zu sehen. Die leiseste Bewegung würde ihre Aufmerksamkeit auf das lenken, was sein knapper Lederschurz nicht verbergen konnte.
Auch seine Gedanken wanderten auf verbotenen Pfaden. Was für eine Frau war sie, diese Rowena? Angenommen, sie entdeckte sein Geheimnis, würde sie ihn zu sich herunter auf ihr Bett aus Moos und Farnkraut ziehen? Würde sie ihre Röcke hochschieben und ihre langen, weißen Beine für ihn öffnen, ihn an sich ziehen und sich ihm hingeben? Würde sie vor Lust aufschreien, wenn er tief und hart in sie eindrang, getrieben von einem Verlangen, das so stark war wie ihr eigenes?
Nein, sie wandte sich bereits von ihm ab, den Blick gesenkt hinter ihrem Schleier aus goldbraunen Wimpern, die Wangen gerötet. Ihre Schönheit traf ihn wie ein Schlag. Sie hatte sein Verlangen erkannt, war jedoch so zurückhaltend und schüchtern wie ein junges Mädchen seines Volkes.
Wer war diese Frau? Welchen Platz nahm sie in dieser ihm fremden Welt ein?
Mit den Fingerspitzen berührte er sacht ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. Sie erwiderte unerschrocken seinen Blick. Winzige Flecken – grün, blau
Weitere Kostenlose Bücher