Wild und frei
Frau zu rächen, die er geliebt hatte.
Rowena stützte sich auf ihre Ellbogen und richtete sich auf. Er wandte sich ab, sein Brustkorb hob und senkte sich, während er gegen den lang zurückgehaltenen Schmerz ankämpfte.
“Ruhig … ganz ruhig …” Rowena murmelte die törichten, beruhigenden Worte wie bei einem verschreckten Kind. Unwillkürlich streckte sie die Hand aus, berührte seine Schulter. Ihre Finger zitterten, als sie über die verspannten Muskeln strich, den stahlharten
musculus trapezius
, die sich wölbenden
musculi deltoidei
. Ihre Berührung ließ ihn erschauern, widerstreben, aber nicht zurückweichen.
“Ganz ruhig … komm jetzt mit mir zurück. Wir werden einen Weg finden, damit du nach Hause kannst … ich schwöre es.” Was, um Himmels willen, sagte sie da nur? Wie konnte sie ein solches Versprechen geben, selbst einem Mann gegenüber, der kaum verstand, was sie meinte. Ihr Vater hatte recht gehabt. Sie konnte ihn nicht einfach nach Falmouth bringen und seine Überfahrt in die Neue Welt bezahlen. Selbst wenn sich ein Schiff fände, welcher Kapitän würde sich die Mühe machen, solch einen gefährlichen Passagier an Bord zu behalten? Der Wilde –
ihr
Wilder würde kurz nach Verlassen des Hafens über Bord geworfen werden.
Es gab nur einen vernünftigen Weg. Sie musste ihm richtiges Englisch beibringen und zivilisierte Manieren. Erst dann wäre es sicher für ihn, an Bord zu gehen. Aber wie sollte sie ihn zum Lernen bringen?
Sie konnte nicht mehr klar denken, als ihre Hände über seinen Rücken nach unten glitten. Ihr Handballen berührte den Lederriemen, an dem sein Lendenschurz befestigt war. Die plötzliche Erkenntnis, wie weit sie sich vorwagte, durchzuckte sie und ließ ihren Arm kribbeln wie damals im Laboratorium ihres Vaters, als sie einen Zitteraal berührt hatte – aber nein, dies war etwas ganz anderes, als einen Aal zu berühren. Dies war ein Mann – ungezähmt, fast nackt und nicht von gesellschaftlichen Regeln eingeengt. Sie spielte mit einer Kraft, die so gefährlich war wie ein Blitzschlag.
Sie ließ die Hand wieder nach oben gleiten. Doch jetzt hämmerte ihr Herz, ihre Kehle war wie ausgedörrt.
Flieh!
rief die Stimme der Vernunft, aber sie konnte nicht aufhören, ihn zu berühren.
Black Otter spürte, wie er auf Rowenas Berührungen reagierte. Ihre Hände waren warm, ihre Stimme klang so beruhigend wie das Wiegenlied, mit dem eine Lenape-Mutter ihr Kind in den Schlaf sang.
Es wäre unklug gewesen, sie zu töten, da er doch ihre Hilfe brauchte. Das wurde ihm nun klar. Aber sie zu hassen? Ja, Hass sollte er fühlen, müsste er fühlen. Hass war das Einzige, das ihm Kraft geben würde.
Wo war jetzt sein Hass?
Sie ist der Feind
rief er sich in Erinnerung und richtete seine Gedanken auf das brennende Dorf, die schreienden Menschen und darauf, wie das Leben aus Morning Clouds lieblichem Gesicht gewichen war. Seine Frau hatte so gelitten und so bestürzt ausgesehen, als sie zu ihm aufschaute. Keiner der weißen Männer hatte Mitleid mit ihr gehabt – warum sollte er dann diese weiße Frau mit ihren seltsamen goldbraunen Augen verschonen? Er war ein Krieger, ein
Sakima
bei seinem Volk. Sein Körper trug die Spuren, die von seinem Mut angesichts des Schmerzes zeugten. Wo war dieser Mut jetzt? Warum war sein Rachedurst gelöscht wie ein Feuer im kühlen Frühlingsregen?
Er kämpfte gegen die Gefühle an, die Rowenas zärtliche Berührung in ihm aufgewühlt hatte – das Verlangen nach ihrem fraulichen Körper und danach, im Rausch der Lust den Albtraum auszulöschen, der ihn Tag und Nacht heimsuchte.
Seine Erregung wuchs, während sie ihn mit sanften Händen streichelte. Ihre Jugend war lange vorbei, aber dennoch fehlte ihrer Berührung die Unerschrockenheit einer Frau, die Erfahrung mit Männern hatte. Was wollte sie von ihm? War dies Verhalten eine Einladung, sie hier und jetzt zu nehmen, so kraftvoll in sie einzudringen, wie er das Messer in ihre Kehle hätte rammen können?
Enttäuscht und verwirrt drehte er sich nach ihr um. Sie wich zurück. Hatte sie Angst vor ihm? Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.
Blitzschnell wie ein angreifender Puma fiel er über sie her, umfasste ihre schmale Taille und riss sie an sich.
Rowena blieb vor Schreck die Luft weg, als der Wilde sie an sich presste. Mit wild klopfendem Herzen sah sie zu ihm auf in seine glühenden dunklen Augen. Sie würde sich hüten, ihre Furcht zu zeigen, aber ihr Puls raste, und ihre
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