Wild und frei
und braun – schimmerten in den goldenen Tiefen ihrer Augen. Wie anders sie doch war als alle Frauen, die er gekannt hatte – und dennoch, trotz ihres fremdartigen Aussehens, wie sehr sie ihnen glich.
Die Stille, die sie umgab, wurde nur durch das Murmeln des Baches und die fernen Schreie der Seevögel unterbrochen. Black Otter fühlte den Drang, diese Stille mit Worten zu zerstören, herauszuschreien, was ihr Volk seinem Dorf und seiner Familie angetan hatte. Seit fast vier Monden hatte er mit keinem Menschen richtig reden können, und es drängte ihn danach. Enttäuschung stieg in ihm auf und drohte sich Luft zu machen und ihren Frieden zu zerstören.
Ohne Vorwarnung packte er ihr Handgelenk und bedeutete ihr mit einer Kopfbewegung, ihm zu folgen. Ein Ausdruck von Furcht huschte über ihr Gesicht, als sie zögerte, aber er gab ihr keine Zeit, um nachzudenken. Sie hinter sich herziehend, stürmte er vorwärts, tiefer in das Tal, wo der Bach sich plätschernd und murmelnd seinen Weg zum Meer bahnte.
7. KAPITEL
“Wir müssen jetzt unbedingt zurück!” Rowena gelang es nicht, mit diesen Worten ihren rasenden Puls zu beruhigen, als der Wilde sie an dem steinigen Ufer entlangschleppte. “Sie werden uns inzwischen vermissen! Sie werden unserer Spur folgen. Niemand wird glauben, dass du nichts Böses im Sinne hast …”
Mit dem Zeh stieß sie gegen einen Stein und stolperte. Black Otter umfasste mit fester Hand ihre Taille. Wollte er ihr etwas zuleide tun? War das der Grund, warum er ihr Kinn angehoben und sie mit einem Blick angestarrt hatte, der ihr bis auf den Grund der Seele gedrungen war?
Rowena hatte gesehen, was mit seinem Körper geschehen war. Obwohl noch Jungfrau, erkannte sie durchaus, wann ein Mann erregt war. Wollte er ihr im Schutz dieser dunklen grünen Schatten Gewalt antun? Warum schrie sie dann nicht um Hilfe oder kämpfte darum, ihm zu entkommen? Warum war sie sich mit einem Mal selbst fremd geworden?
Ein Sonnenstrahl stahl sich durch die überhängenden Zweige und fiel auf seine nackte Schulter. Das Muskelspiel des Wilden unter seiner gelbbraunen Haut glich dem eines Panthers. Auch bewegte er sich mit der Geschmeidigkeit eines Raubtiers. Der halb zerfetzte lederne Lendenschurz, der an einem verknoteten Lederriemen befestigt war, bedeckte kaum sein schmales Hinterteil.
Plötzlich blieb er an einer scharfen Biegung des Baches stehen. Der Blick seiner dunklen Augen war auf eine schmale Sandbank gerichtet, die geschützt von der Strömung vor ihm lag.
Er ließ sich am Bachufer auf die Knie sinken und zog Rowena neben sich. Als er ihre Taille losließ, spürte sie immer noch die Wärme seiner Hand. Nein, er war nicht darauf aus, ihr Gewalt anzutun. Zumindest im Augenblick schien er mehr an der Sandfläche als an ihren vermeintlichen Reizen interessiert zu sein. Rowenas Puls beruhigte sich etwas.
Er beachtete sie gar nicht, sondern zog das kleine Messer aus dem Gewirr seines Haares. Damit beugte er sich über die Sandfläche und fing an zu zeichnen, wobei er das scharfe Messer wie eine Feder führte.
Ein Oval und eine Linie erschienen, dann zog er noch mehr Linien in den feinen, nassen Sand. Eine menschliche Figur entstand, die eines Mannes. Der Wilde sah auf, wie um sich zu vergewissern, dass sie ihn verstand, als er zuerst auf die Zeichnung deutete und dann auf seine Brust.
“Ja!” Rowena beugte sich vor, berührte mit der Fingerspitze die kleine Gestalt und zeigte auf ihn. “Ich verstehe. Das bist du.”
Er nickte und zeichnete weiter. Rowena sah zu, wie die Stahlspitze eine Reihe kuppelartiger Formen hinter dem Mann in den Sand ritzte. “Schildkröten?” versuchte Rowena zu raten. “Nein, warte – Häuser!” Kiefern, die nun dazwischen auftauchten, bestätigten ihre Vermutung. “Ein Dorf! Dein Dorf!”
Black Otter sah sie nicht an, sondern zeichnete weiter. Er umklammerte das Messer fester, als er neben den Mann eine andere Gestalt zeichnete. Es war eine ganz einfache Zeichnung, aber schon ehe sie fertig war, konnte man an der Sorgfalt, mit der er ihr mit jeder Linie Anmut und Leben verlieh, sehen, dass es eine Frau war.
Vorsichtig vollendete er die Zeichnung, sodass langes Haar sowie die Umrisse eines Gewandes, das einem Hemd ähnelte, zu erkennen waren. “Deine Frau?”, fragte Rowena.
Er antwortete in seiner Sprache, und obwohl sie die Worte nicht verstand, spürte Rowena die Bitterkeit in seiner Stimme. Ja, sein Herz war dort an jener anderen Küste bei der
Weitere Kostenlose Bücher