Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wild und frei

Wild und frei

Titel: Wild und frei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lane
Vom Netzwerk:
nach unten gezogen wurde. Dort hing der kleine Falke einen Augenblick kreischend, bis es ihm gelang, sich aufzurichten und wieder auf die Hand zu klettern.
    “Wenn du einen Mann, ganz gleich, wen, in diesem Land tötest, wirst du zur Strecke gebracht und gehängt, John Savage!”, sagte Rowena mit Nachdruck. “Du würdest deine Kinder nie wiedersehen. An so etwas darfst du noch nicht einmal denken!”
    Er achtete nicht auf ihre Worte, sondern blickte unverwandt zum Himmel hinauf.
    “Da”, sagte er leise und zeigte hoch. “Sag mir.”
    Rowena blickte nach der schwarzen Gestalt, die über ihnen segelte.
    “
Ahas!”
, antwortete sie ihm und benutzte das Wort der Lenape für Krähe. Sie wusste, wie sehr er sich freute, wenn sie versuchte, seine Sprache zu sprechen. “
Kumhokot”
, fügte sie hinzu und schwang ihren Arm. “
Kshaxen
. Es ist wolkig und windig.”
    “Wolkig und windig” wiederholte er pflichtbewusst. Beiden machte dieser Austausch Freude. Bei diesen morgendlichen Ausritten hatte sie schon eine beträchtliche Anzahl Wörter und Redewendungen der Lenapesprache gelernt. Auch seinen Lenapenamen hatte sie erfahren und ihm die englische Bedeutung erklärt. Ebenso hatte sie sich viele Dinge aus der Heimat des Wilden – Lenapehoken, wie er sie nannte, eingeprägt. Er hatte nach Worten gerungen, um die sattgrünen Wälder zu beschreiben, in denen es nur so von Vögeln und Tieren wimmelte und die vom Großen Ozean bis dorthin reichten, wo die Sonne hinter der Erde unterging.
    Er hatte ihr auch von seinem Volk, den Lenni Lenape, berichtet, die in kuppelartigen Rindenhütten wohnten, Kleidung aus Hirschleder trugen und von der Jagd, dem Fischfang und dem lebten, was sie auf ihren kleinen Feldern anbauten. Erst als sie ihn drängte, gab er zu, dass er bei seinem Volk ein mächtiger Häuptling – ein
Sakima
war. Sie wiederum hatte ihr Möglichstes getan, um ihm das Leben in England und die Bräuche hier zu beschreiben. Die meisten ihrer Erläuterungen hatten bei John Savage nur Kopfschütteln und Bestürzung hervorgerufen.
    Jetzt sah sie, wie er erstarrte und gebannt auf etwas in der Ferne schaute, das ihre weniger geschulten Augen nicht erkennen konnten. Schweigend nahm er dem Gierfalken die Haube ab und löste die Halteleine. Augenblicklich breitete der große Vogel seine mächtigen Schwingen aus und stieg in die Luft. Rowena sah zu, wie er kreiste, während seine Blicke über das Moor glitten. Plötzlich stürzte er sich pfeilschnell hinab. Es gab ein aufgeregtes Durcheinander im Ginster, als er seine Klauen in einen Hasen schlug. Die Wucht des Aufpralls warf das zaghafte Geschöpf um, sodass es taumelnd zur Seite rollte. Bis Rowena und der Wilde dort angekommen waren, saß der Gierfalke längst geduckt auf seiner Beute und wartete darauf, zurück auf die behandschuhte Hand genommen zu werden.
    Sie jagten, bis die Sonne hoch über dem Moor stand, und füllten ihre Jagdtaschen mit mehreren Rebhühnern für die Küche und einigen kleineren Tauben, die der Turmfalke erbeutet hatte und die den beiden Falken als Futter dienen sollten. Wie üblich sprachen sie wenig, während die Vögel in der Luft waren. Die meiste Zeit schien der Wilde mit dem großen silbernen Falken vollkommen eins zu sein. Auch seine Seele schien sich gen Himmel aufzuschwingen, wenn der Vogel hochstieg, um durch die Luft zu gleiten und zu kreisen, ehe er sich dann plötzlich mit atemberaubender Geschwindigkeit auf seine Beute stürzte. Rowena konnte beinahe seine Gedanken lesen – die Sehnsucht, weit über das Meer davonzufliegen, bis in seine Heimat.
    Bald, mit oder ohne ihre Hilfe, würde er diesen Ort verlassen. Und selbst wenn es in ihrer Macht stünde, Rowena wusste, dass sie ihn nicht zurückhalten durfte. Falls man John Savage zwänge, in England zu bleiben, würde ihm das Herz brechen.
    “Dort drüben …” Sie lenkte ihren Zelter in die Richtung einer zerklüfteten Nische zwischen den Klippen. “Vor Jahren, als kleines Mädchen, habe ich eine verborgene Höhle zwischen diesen Felsvorsprüngen entdeckt. Es war mein Geheimnis. Bis jetzt habe ich nie jemandem davon erzählt.”
    “Ist die Höhle noch da?”, fragte er, denn sein Interesse war sofort geweckt.
    “Ja. Dort beginnt schon der Weg nach unten.” Sie zeigte auf eine Stelle an der Kante der Klippe. “Es ist ein sehr steiler Abstieg. Mich wundert, dass ich damals nicht abgestürzt bin und mir auf den Felsen darunter das Genick gebrochen habe.”
    Er nickte und schaute

Weitere Kostenlose Bücher