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Wild und frei

Wild und frei

Titel: Wild und frei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lane
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Stärke. Aber die wahre Stärke offenbarte sich in der Sanftheit – der Art von Behutsamkeit, die einen verwundeten Vogel wiegen konnte und seine Seele mit einem Lied beruhigte.
    Ihr Blick wanderte zu seinem markanten Gesicht, verharrte auf den strengen und dennoch feinen Linien seines Mundes. Sie erinnerte sich, wie sie diesen Mund geküsst hatte, erinnerte seinen erdigen, salzigen Geschmack, die glühende Hitze seiner Berührung.
    Gütiger Himmel, ihr wurde klar, dass sie diesen Mann so liebte, wie sie niemals zuvor jemand in ihrem einsamen Leben geliebt hatte – liebte ihn, wie sie niemals wieder lieben würde.
    “Es tut mir leid, Rowena. Ich konnte ihn nicht retten.” Der Klang seiner Stimme schreckte sie auf. Sie hätte fast aufgeschrien, als sie hinabsah und erkannte, dass die Augen des Turmfalken glasig waren und sein kleiner Kopf auf der Seite lag. “Seine Seele ist fortgegangen”, sagte der Wilde.
    Ohne ein Wort stieg er ab, hielt den Vogel immer noch in der offenen Hand und suchte sich einen spitzen Stein, mit dem er unter einer knorrigen Eiche ein Loch in den Boden grub. Rowena kämpfte mit den Tränen, als sie aus dem Sattel glitt und zu ihm trat. Mit ihren Händen hob sie die Erde heraus, die er losgekratzt hatte. Als das Loch schließlich tief genug war, waren ihre Finger wund, die Fingernägel abgebrochen und schmutzverkrustet, aber der Wilde versuchte nicht, sie zu hindern. Dies war der letzte Dienst, den sie dem kleinen Geschöpf erweisen konnte, das sie so sehr geliebt hatte.
    Sie hielt inne und sah Black Otter in die traurigen schwarzen Augen. Er nickte ihr zu und legte den Turmfalken in das Loch, strich sein Federkleid glatt und bedeckte ihn mit Blättern. “Das Grab eines Kriegers”, sagte er sanft.
    Zusammen füllten sie die Erde in das Grab, strichen sie glatt und legten den Stein obenauf. Rowena verweilte noch ein wenig, um ein winziges Sträußchen Glockenblumen zu pflücken und auf den Stein zu legen. Dann saßen sie auf und ritten schweigend zurück zum Stall.
    Rowena saß wie gelähmt im Sattel, nur ihre Hände bewegten sich und verdrehten aufgeregt die Zügel zu einem wirren Knäuel voller Knoten, während sie ihre dümmliche Leichtgläubigkeit verfluchte. Für einen Augenblick hatte sie beinahe geglaubt, der Wilde würde ihren kleinen Falken retten können. Aber er war nichts als ein gewöhnlicher Mann, kein Wunderheiler – und Wunder, genau wie das sprichwörtliche “glückliche Ende”, gab es nur in Märchen.
    Sie sah zurück zum Meer, wo sich nach diesem prächtigen Morgen hässliche dunkle Wolken auftürmten, die mit Regen beladen von Westen heraufzogen. Sie war zu alt, um an Märchen zu glauben. Die Tatsache, dass sie John Savage liebte, würde ihr kein Glück bringen. Das Schicksal hatte bereits entschieden, dass sie ihn verlieren würde, so wie sie ihren Falken verloren hatte, ihren Vater und ihre Orientierung in einer Welt, die plötzlich so trügerisch geworden war wie die See.
    Als sie den Stall schließlich erreichten, fiel Regen aus dem bleiernen Himmel. Sie ritten durch die Hintertür, die vom Haus aus nicht einsehbar war. Rowena spürte den Blick des Wilden auf sich, als sie müde aus dem Sattel glitt und sich gleich niederbeugte, um den Sattelgurt zu lösen.
    “Ich kann das tun”, sagte er. “Lass es, Rowena.”
    “Nein, ich mache das …” Ihre Finger bluteten. Sie kam sich unbeholfen vor und seltsam starrsinnig. Der Sattelgurt war fest angezogen, und die Stute wurde unruhig. Eine plötzliche Bewegung verdrehte ihr die Hand, ein Fingernagel brach ab. Der überraschende, heftige Schmerz brachte die Tränen wieder zum Fließen. Sie wandte ihr Gesicht gegen die Flanke der Stute, damit der Wilde nicht sah, dass sie weinte.
    “Rowena …”
    Er legte vorsichtig die Hand auf ihre Schulter, und selbst durch diese leichte Berührung übertrug sich seine Wärme auf ihren ganzen Körper. Behutsam hob er sie auf die Arme, drehte sie zu sich, und dann lag sie an seine breite Brust geschmiegt.
    Rowena schluchzte leise auf, als er sie an sich zog. Sie legte ihm die Arme um den Nacken, hielt ihn dicht an sich gepresst, spürte seine beruhigende Kraft, während der Regen gegen die Stallwände peitschte. Beinahe verzweifelt klammerte sie sich an den Augenblick, genauso wie sie sich an ihn klammerte, mit der Gewissheit, dass all dies enden würde, dass ihnen die Zeit weglief und sie ihn gehen lassen musste.
    Er atmete heftig, als sein Körper auf ihre Nähe reagierte.

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