Wild und frei
zögern würde, um Hilfe zu schreien. Und was dann? Könnte er es schaffen – zu Fuß oder selbst zu Pferde –, einer wütenden Horde berittener Männer zu entkommen, die ihm mit Hunden auf den Fersen waren?
“Komm her zu mir”, reizte sie ihn mit herausfordernder Stimme, während sie ihre Röcke hob. “Auf die Knie mit dir, Master Savage. Und während deine Zunge mir Vergnügen verschafft, werde ich dich mit dieser kleinen Peitsche bestrafen. Wer weiß, vielleicht gefällt dir ja eine solche Bestrafung. Der Duke of Buckingham liebte es, wenn meine Peitsche auf seinem Rücken tanzte!”
Black Otter zögerte und überlegte, ob er eine Wahl hatte. Sollte er sich ihren Wünschen fügen oder sich einfach abwenden, gehen und sie damit zum Äußersten treiben? Beides barg Gefahren.
“Worauf wartest du noch?” verlangte sie zu wissen und schmollte dabei wie ein verzogenes Kind. “Los jetzt! Auf die Knie, Savage, oder ich fange an …”
Ein plötzliches Hämmern gegen die Tür ließ sie innehalten. “Sibyl!” Bosleys Stimme donnerte durch die dicken Holzbretter. “Spiel nicht deine Spielchen mit mir, ich weiß, dass du da drin bist, und nicht allein! Öffnest du jetzt freiwillig die Tür, oder soll ich mir mit Gewalt Einlass verschaffen und dir deinen verdammten kleinen Hurenhals umdrehen?”
Für einen Augenblick war Sibyl abgelenkt und wandte sich zur Tür. Mehr Zeit brauchte Black Otter nicht. Blitzschnell wie ein springender Puma hatte er die Hintertür erreicht und lief, wie nur ein Lenape laufen konnte – rannte um seine Freiheit und um sein Leben.
Rowena lag auf einem Quilt im Schatten des Pavillons, umgeben von den Frauen, die sie bemutterten, und gab sich große Mühe, angemessen blass und erschöpft auszusehen. Die Erschöpfung war echt. Sie hatte ihre kraftraubende Vorstellung so lange durchgehalten, wie sie es wagen konnte, ohne unglaubwürdig zu wirken, die ganze Zeit hoffend und betend, dass der Wilde die Geistesgegenwart sowie genug Glück haben würde, um rechtzeitig zu entkommen.
Doch unter dieser Angst lag ein tiefer Kummer, der ihr das Herz schwer machte. So Gott wollte, würde sie ihren Wilden nie wiedersehen. Er wäre frei, auf einem Schiff anzuheuern, und würde vielleicht eines Tages wieder nach Hause zurückfinden. Wie auch immer ihr trostloses Leben schließlich verliefe, niemals würde sie ihn vergessen oder aufhören, für sein Wohlergehen und sein Glück zu beten. “
Lapich knewel”
, flüsterte sie. “Alles Gute und Lebewohl, mein einzig Geliebter.”
Wie sie so dalag, mit einem feuchten Leinentuch auf der Stirn, suchte sie mit ihren halb geschlossenen Augen die sie umstehende Menge ab. Den Wilden konnte sie nirgends erkennen, dem Himmel sei Dank! Aber Bosley war da am Rand des Getümmels, und ein langer roter Striemen verunzierte seine linke Wange. Als sie dieses Zeichen sah, war ihr die Kehle plötzlich wie zugeschnürt vor Angst. Irgendetwas war schiefgegangen, aber was?
Beinahe wie eine Antwort auf ihre unausgesprochene Frage ertönte aus der Richtung des Stalles ein gellender Schrei.
Rowena gab ihr Täuschungsmanöver auf und rappelte sich hoch.
“Meine Liebe, Ihr dürft nicht so hastig aufstehen!”, ermahnte sie Lady Osgood, aber Rowena war bereits in Richtung des Schreis losgestürzt, alle Hände abwehrend, die versuchten, sie zurückzuhalten.
Während sie rannte, kam es ihr so vor, als würde sich die Entfernung zu dem Stall, der doch gar nicht weit weg lag, kaum verringern, obwohl sie sich verzweifelt abmühte, dorthin zu gelangen. Sie fühlte sich so hilflos wie ein Läufer in einem Albtraum. Eine Ewigkeit schien zu verstreichen, bis sie endlich am Haus vorbeikam und die Frau sah, die diesen entsetzlichen Schrei ausgestoßen hatte. Es war Bessie, die Köchin. Sie stand mit zwei Gästen draußen vor dem Stall und schluchzte hysterisch.
“Bessie!” Rowena hastete mit klopfendem Herzen in den Hofraum vor dem Stall. “Was ist los? Was ist geschehen?”
“Oh, Mistress!” Das grobe Gesicht der Frau war aschfahl. “Güt’ger Himmel, geht nicht in den Stall. Ihr dürft nicht hinschaun, nicht sehn …”
Aber Rowena lief bereits an ihr vorbei und riss die Tür weit auf.
Im ersten Moment konnte sie mit ihren von der Sonne geblendeten Augen nur Schatten wahrnehmen. Dann, nicht weit von der Stalltür entfernt, erblickte sie, was auch Bessie gesehen hatte.
Sibyl lag ausgestreckt auf dem Rücken im schmutzigen Stroh, die Röcke um ihre Hüften hochgerafft,
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