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Wild und gefaehrlich

Wild und gefaehrlich

Titel: Wild und gefaehrlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecily von Ziegesar
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»offenkundige Bestimmung der Nation« und den »Bundesvertrag« zu sagen hatte. Zwischen mit Skizzen gefüllten Seiten entdeckte Easy vereinzelte Unterrichtsnotizen in kaum entzifferbarer Schrift und seufzte. Zwanzig Minuten Wiederholen würden ihm nicht helfen, den Test zu bestehen.
    Obwohl er seit zwei Wochen wusste, dass der Test bevorstand, hatte sich Easy nicht überwinden können, dafür zu lernen. Es gab zu viele andere wichtige Dinge zu tun. Wie konnte man von ihm erwarten, die Nase in Bücherstapel zu vergraben, wenn das Laub sich verfärbte und Credo ganz wild danach war, mit ihm auszureiten? Außerdem war es bald zu kalt, um an seinem Lieblingsplätzchen im Wald zu malen. Jetzt musste er jede Gelegenheit wahrnehmen. Easy verstand die Leute nicht, die ihr ganzes Leben damit zubrachten, Dinge zu tun, die sie tun zu müssen glaubten . Waren sie denn jemals glücklich?
    Er klappte das Heft zu und zündete sich eine Marlboro an.
    Die E-Mail seines Vaters heute Morgen hatte ihn mehr geärgert, als er zugeben wollte. Er hatte seinem Vater noch nicht erzählt, dass er mit Callie Schluss gemacht hatte. Allerdings vertraute er seinem Vater nie etwas an. Easy und sein Vater waren wie Feuer und Wasser: Jefferson Linford Walsh, erfolgreicher Absolvent von Waverly und der Universitäten Vanderbilt und Yale, war Sozius in einer berühmten Anwaltskanzlei im Süden und Vater von vier Söhnen, von denen drei erwartungsgemäß in seine Fußstapfen traten, während sein jüngster Sohn ein verkrachter Bohemien war, der es nicht mal schaffte, für seine erste größere Prüfung im Leistungskurs Geschichte zu büffeln.
    Easy nahm sein Handy und drückte die Privatnummer seines Vaters ein.
    »J.L. Walsh am Apparat«, dröhnte die Stimme seines alten Herrn. Sein Kentucky-Akzent war ausgeprägter als der von Easy.
    Easy blies den Rauch aus und sah ihm nach, wie er in den Bäumen verschwand. »Dad. Hallo.«
    »Es klingt, als ob du rauchst«, stellte sein Vater fest. Das in zivilisierten Gesellschaften übliche »Wie geht es dir? Guten Morgen! Wie schön, deine Stimme zu hören, mein Sohn!« sparte er sich.
    Easy warf seine Zigarette auf den Boden. »Ebenfalls nett, dich zu hören.«
    Mr Walsh seufzte. »Ich hoffe, du rufst nicht an, um dich vor dem Essenstermin am Freitagabend zu drücken.«
    Essenstermin? Ein Anwalt als Vater war das Letzte. »Nein, ich freu mich auf das Essen.« Easy legte sich rücklings auf einen Picknicktisch, an dem er gerade vorbeikam. Die warme Sonne hatte die Tischplatte nach dem gestrigen Regenguss angewärmt, auch wenn sich das Holz durch seinen Blazer und die Jeans noch etwas feucht anfühlte. Es war leichter, mit J.L. Walsh zu reden, wenn man sich in liegender Stellung befand. »Aber Callie ist nicht mehr meine Freundin. Ich bin jetzt...«
    »Soll das ein Witz sein?« Die Stimme seines Vaters wurde scharf und hob sich um eine Oktave, wie immer, wenn er sich aufregte. Easy spürte, wie sein Körper sich verkrampfte, und prompt rutschte ihm eine Entschuldigung heraus. Glücklicherweise bellte sein Vater gerade irgendwelche Anordnungen. Die Entschuldigung ging darin unter, und Easy merkte, dass sein alter Herr gar nicht ihn, sondern seine Sekretärin anpflaumte.
    »Na gut, dann lade ich Callie eben als meinen Gast ein«, fuhr sein Vater an ihn gewandt fort. Seine Stimme hatte wieder ihren gewohnten Ton. Easy konnte hören, wie er etwas auf einen seiner berühmten gelben Anwaltsblöcke kritzelte. »Ich mag Callie. Ich möchte sie sehen.«
    » Dad …«
    » Ich treffe euch beide um Punkt acht. Ich freue mich. Sonst noch was?«
    Gab es sonst noch was? Easy hatte nicht wirklich das Bedürfnis, in eine riesige Diskussion über das blöde Abendessen verwickelt zu werden, vor allem weil sein Vater immer verbohrter wurde, je mehr Einwände Easy vorbrachte. Am besten, er ließ die Sache jetzt auf sich beruhen. Sein Vater konnte über Callies Abwesenheit jammern, so viel er wollte, wenn er beim Coq au vin saß.
    »Bis dann.« Easy klappte sein Handy zu und ließ es in die Tasche seiner weiten Levi’s gleiten. Er legte sich wieder zurück auf den Picknicktisch, schloss die Augen, sog in tiefen Zügen die frische Herbstluft ein und dachte darüber nach, wie verkorkst er war.
    »Hilft es deinem Gedächtnis auf die Sprünge, wenn du vor der Prüfung ein Nickerchen machst?« Eine weibliche Stimme durchbrach Easys Träumereien. Er stützte sich auf den Ellbogen und kniff die Augen zusammen. Callie stand neben dem Tisch.

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