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Wild und gefaehrlich

Wild und gefaehrlich

Titel: Wild und gefaehrlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecily von Ziegesar
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Sie trug eine weiße Strickjacke über einem blauen kurzärmeligen Kleid mit einem so tiefen V-Ausschnitt, dass er an bestimmten Mädchen möglicherweise ordinär ausgesehen hätte. Callie stand er. Seit sie offensichtlich zu essen aufgehört hatte, war ihre Oberweite gänzlich weggeschmolzen. Sie stöckelte in einem Paar der für sie typischen teuren Schuhe mit Bleistiftabsätzen herum. Der neue Haarschnitt machte sie noch hübscher.
    Er blinzelte. War sie stehen geblieben, um ihm auf die Nerven zu gehen? Sie besuchten zwar den gleichen Geschichtskurs, aber die Klasse war groß, und Callie saß mit den anderen Mädchen im vorderen Teil, um einen ungehinderten Blick auf Mr Wilde zu haben, für den alle geschwärmt hatten, ehe der umtriebige Mr Dalton nach Waverly gekommen war. Easy schlüpfte immer in letzter Minute in Wildes Geschichtsstunden und entfloh sofort, sobald der Unterricht aus war, besonders seit er Callie mied. Ihre Trennung war so unschön gewesen, dass er den dringenden Wunsch hatte, ihr aus dem Weg zu gehen – nicht so sehr um seiner selbst willen, sondern ihretwegen. Waverly war nicht sehr groß, und es war bekanntermaßen schwierig, einander nicht zu begegnen, aber er wollte sein Bestes tun, damit Callie Abstand gewinnen konnte. Vielleicht würde ihre Wut ja mit der Zeit verrauchen und sie würde ihn nicht mehr abgrundtief hassen. Vielleicht würde sie sogar aufhören, Jenny zu hassen. Callie konnte einem Angst machen, wenn sie wütend war. Einmal, als er ihren Halbjahrestag verbummelt hatte, hatte sie sein Exemplar von Kerouacs Unterwegs genommen und jede fünfte Seite herausgerissen.
    Jetzt stand sie allerdings vor ihm und lächelte.
    Easy setzte sich auf. »Ich glaube, für den Geschichtstest ist sowieso Hopfen und Malz verloren.«
    »Wenn du Mr Wilde so sehr beeindrucken wolltest wie ich, dann hättest du dich möglicherweise auf die Prüfung vorbereitet.« Sie schlenkerte ihre teuer aussehende honigfarbene Lederumhängetasche.
    »Habt ihr denn immer noch nicht eure Lektion gelernt, was dabei rauskommt, wenn man für heiße junge Lehrer schwärmt?« Er verdrehte die Augen.
    »Mr Wilde ist verheiratet . Und er hat sogar zwei kleine Töchter«, ließ Callie ihn wissen. »Außerdem ist er alt . Mindestens fünfunddreißig.«
    Easy musste lachen, was angenehm war nach dem angespannten Gespräch mit seinem Vater. Es war schön, eine gut gelaunte Callie zu sehen – eine, die nicht an ihm herumnörgelte, weil er angeblich mit einer anderen geflirtet hatte; eine, die ihm nicht vorwarf, lieber mit den anderen Jungs Xbox zu spielen, statt sie anzurufen und ihrem Geplapper über ihre letzte Shopping-Tour zuzuhören. Sie kam ihm... sanfter, milder gestimmt vor. Vielleicht konnten sie ja Freunde werden? Es war doch Mist, einander so lange nahegestanden zu haben und auf einmal gar nicht mehr miteinander zu reden. Und es fühlte sich gut an, einfach nur mit ihr zu plaudern. »Fünfunddreißig ist nicht alt.« Easy wischte sich mit der Hand übers Gesicht. »Versuch’s mal mit achtundvierzig. Männer mit achtundvierzig, die sind alt. Und übellaunig.«
    »Was meinst du damit?« Callie machte ein verwirrtes Gesicht. »Hast du gerade mit deinem Vater gesprochen?«
    »Genau. Er war charmant wie eh und je.« Eine widerspenstige Locke fiel Easy über die Augen und er wischte sie fort. »Er ist am Wochenende hier wegen des Treuhändertreffens. Er hat dich... übrigens... am Freitag zum Essen mit mir eingeladen«, fügte Easy widerstrebend hinzu.
    »Im Ernst?« Sie klang überrascht, aber erfreut. »Nicht zu fassen, dass er sich an meinen Namen erinnert!«
    »Offensichtlich hast du ihn schwer beeindruckt. Das habt ihr Mädels aus dem Süden vielleicht so an euch.« Callie konnte umwerfend charmant sein, wenn sie wollte. Als Easys Eltern sie beim Familientag letzten Frühling kennengelernt hatten, waren sie hingerissen von ihrem warmen Georgia-Akzent, ihrem selbstgewissen Auftreten und ihrer Gabe, in jeder Situation spritzige Konversation zu machen. Easy wusste ja, dass Callie es gewohnt war, Smalltalk machen zu müssen – auf den furchtbar steifen politischen Gesellschaften ihrer Mutter, die Gouverneurin war -, und dass sie solche Anlässe sogar genoss. Seine Eltern lagen ihr zu Füßen und stellten sich womöglich schon eine riesige, affig-elegante Hochzeit im Landhaus der Gouverneurin vor. Ha.
    »Willst du...«, wollte Callie gerade fragen, unterbrach sich aber und biss sich auf die zuckerwatterote Unterlippe.

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