Wild und gefaehrlich
zurück sein würde, blabla.« Sie streckte den rechten Fuß aus, bewegte ihn hin und her und begutachtete den Schuh von allen Seiten. »Als er dann nach Waverly kam, hat er so was wie einen Befreiungsschlag gestartet, glaube ich, und jetzt kriegt er es nicht mehr gebacken, pünktlich zu sein oder zu sagen, wo er steckt.«
»Ach so.« Die Antwort erinnerte Jenny knallhart daran, wie tief die Beziehung zwischen Callie und Easy gewesen war. Es war wie mit einem Zahn, der gezogen wird – zuerst sieht er klein aus, aber dann merkt man erst, wie weit und tief die Wurzel reicht. Jenny und Easy fingen gerade erst an, sich kennenzulernen, während Callie viel länger Teil seines Lebens gewesen war. »Daran hab ich wohl nicht gedacht.«
»Er kommt bestimmt zur Party«, sagte Callie und verschwieg lieber, dass auch sie mit Easy wegen heute Abend gemailt hatte. »Er findet schon einen Weg, reinzukommen.« Unvorstellbar, dass Easy es sich entgehen lassen würde, ins Mädchenwohnhaus zu schleichen, wenn dort Hausarrest herrschte. Also bitte!
Jenny öffnete ihre rosafarbene Sephora-Kulturtasche und breitete ihre Kosmetika aus. Callie sah zu, wie sie ihren Benefit-Dandelion-Highlight-Puder aufklappte und ein wenig auf ihr Gesicht stäubte, sodass ihre Haut noch strahlender wirkte als sonst. In dem dunkelbraunen trägerlosen Chiffonkleid und mit ihren langen, wilden Locken sah sie aus wie ein Mädchen, das barfuß auf einer Wiese herumtollen konnte, ohne sich darum zu scheren, ob sie auf irgendwelche Insekten oder sonstiges Getier trat. Mit anderen Worten: Sie war genau das sorglose, natürliche Geschöpf, in das sich jemand wie Easy zwangsläufig verliebte.
»Da hast du wohl recht. Ein Heath Ferro wird es garantiert nicht zulassen, dass ein ganzes Haus voll hübscher Mädchen sein Bier ohne ihn trinkt.«
Callie beobachtete Jenny, die ein Auge schloss, mit dem Mascarastab über ihre natürlich langen Wimpern strich und dabei leicht den Mund öffnete. Ihre Hand schwebte direkt über ihrer Blechbüchse, die – ups, peinlich – wieder voller Haargummis war. Jenny hatte also entdeckt, dass Callie sie durch das Zimmer geschnalzt hatte?
Callie kam sich urplötzlich wie eine niederträchtige Person vor. Nicht nur wegen der Haarbänder. Jenny sah so unschuldig und verletzlich aus, dass Callie Gewissensbisse bekam, am Abend zuvor mit Easy und seinem Vater zum Essen gegangen zu sein. Eventuell war das für alle Beteiligten nicht unbedingt clever gewesen? Ihre Zunge fühlte sich schwer an in ihrem Mund, und sie überlegte, ob sie Jenny einfach davon erzählen sollte, jetzt, wo sie doch gerade so offen über Easy sprachen.
Aber sie schaffte es nicht. Sie hatte Easy gesagt, sie würde Jenny gegenüber keinen Mucks erwähnen, und obwohl sie ein extrem schlechtes Gewissen hatte, gefiel es ihr doch auch, ein Geheimnis mit ihm zu teilen.
»Uff, ich schau mal aufs Dach, ein bisschen frische Luft schnappen.« Das Zimmer wurde ihr zu eng und Callie brauchte dringend etwas Abstand von Jenny, deren Liebenswürdigkeit nur Schuldgefühle in ihr hervorrief. »Ich seh dich dann, äh, unten.«
Callie öffnete die Tür und der Klang von Red Hot Chilli Peppers drang durchs Treppenhaus.
Zumindest ein paar Leute schienen sich zu amüsieren.
18 Ein Waverly-Schüler weiß, dass es zu jeder Tür einen Schlüssel gibt
Um fünf vor halb acht, fünf Minuten, bevor Lasell geschlossen wurde, hatten sich alle Verschwörer im Umkleideraum der Sporthalle versammelt. Und warteten.
»Oh, ich weiß nicht, ob ich das wirklich tun darf«, säuselte Lon Baruzza, als er die Eingangstür der Sporthalle abschloss und alle Deckenlampen ausschaltete. »Aber ich vermisse die Mädchen wahnsinnig.« Er klimperte mit dem Schlüsselbund und grinste. »Und die Bürde des samstäglichen Absperrens in Lasell lastet so schwer auf meinen Schultern, dass ich nach einem kühlen Bier in Gesellschaft hübscher Mädchen lechze…«
Brandon grinste. Er war viel unternehmungslustiger als üblich. Am Nachmittag war er auf dem Squash-Court gewesen und hatte seine Rückhand trainiert, als Lon Baruzza mit einem Stapel frischer Handtücher für die Jungen-Duschräume vorbeigekommen war. Lon schien überall zu arbeiten, im Speisesaal, in der Bibliothek, in Haus Maxwell. Er erledigte alle möglichen Jobs für sein Stipendium an der Schule. Brandon hatte ihn immer dafür bewundert, schließlich gab es nicht viele Schüler in Waverly – Brandon eingeschlossen -, die wussten, was es bedeutete,
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