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Wild und gefaehrlich

Wild und gefaehrlich

Titel: Wild und gefaehrlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecily von Ziegesar
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Sarkasmus wäre Brandon besser gefahren.
    »Was ist hier?« Julian spähte um die Ecke, in der die Duschkabinen untergebracht waren. Sie waren ansprechend mit himmelblauen Fliesen im Mittelmeerstil gekachelt, eine Zuwendung von Sage Francis’ Familie, die westlich von Massachusetts eine Keramikfabrik besaß. Die Fliesen waren blitzblank geschrubbt, denn die Putzkolonne kam samstagvormittags und hatte sich von dem Hausarrest nicht abhalten lassen. Julian zog den weißen Nylonvorhang zur Seite und stieß einen Pfiff aus.
    »Frechheit. Unsere Duschen wurden wahrscheinlich zuletzt 1945 renoviert und die Mädels verwöhnt man mit Wellness-Tempeln!«, bemerkte Brandon eifersüchtig.
    Julian trat in die vorderste Duschkabine. »Hier findet also alles Entscheidende statt?« Er hatte ein schelmisches Grinsen im Gesicht, als würde er sich all die nackten Mädchen unter der Brause vorstellen.
    Tinsley folgte ihm in die Kabine. »In dieser dusche ich immer.«
    Er zog die Brauen hoch. »Tatsächlich? Wieso?«
    Tinsley zuckte die Schultern und stellte eine Fußspitze auf die Seifenschale, die in die Wand eingelassen war. »Das hier ist so praktisch zum Beinerasieren.«
    »Verdammt.« Julian schüttelte den Kopf. »Du hast recht. Das macht die Sache einfacher. Wenn wir das nur auch in unseren Duschen hätten.«
    Tinsley kicherte. Sie sah zu Julian auf, dessen Kopf fast bis an die Brause reichte. »Und wieso trägst du’ne Mütze?«, fragte sie.
    Julian tat, als würde er sich den Körper einseifen. »Das ist in Wirklichkeit eine Heißölpackung für meine Haarwurzeln – es sieht nur aus wie’ne Mütze.«
    Irgendwas an Julian versetzte Tinsley in eine furchtbar alberne Stimmung. Als er den Kopf zurücklegte und vorgab, sein Haar auszuspülen, griff Tinsley hinter ihn und stellte das Wasser an.
    Aber er musste geahnt haben, was sie vorhatte, denn gerade, als sie die Hand von der Armatur zurückzog, schlang er die Arme um ihre Taille und schob sie vor sich. Er duckte sich, verwendete sie als Schutzschild, und Tinsley bekam eine kalte Dusche mitten ins Gesicht.
    Sie kreischte und zappelte, aber Julian hatte seine Arme fest um sie geschlungen. Das Wasser war eiskalt, und Tinsley wand sich, bis sie eine Hand frei hatte, um den Hahn wieder abzudrehen.
    »Du Aas!« Patschnass von Kopf bis Fuß drehte sie sich zu ihm um.
    Die Tür zum Waschraum schlug zu. Brandon musste das Weite gesucht haben.
    »Braucht das Wasser immer so lang, bis es warm wird?« Julians Lippen zuckten. Er versuchte, sich das Lachen zu verkneifen. »Ihr solltet vielleicht mal den Klempner bestellen.« Er trat zurück, lehnte sich an die Fliesenwand und ließ den Blick bewundernd über sie gleiten.
    Tinsley funkelte ihn an. Ihr sorgfältig gelocktes und aufgeplustertes Haar fiel ihr jetzt in nassen Strähnen vorn übers Gesicht, und ihr Kleid, das vorher schön und sexy gewesen war, fühlte sich wie ein pitschnasses Kleenextuch an, das ihr an der Haut klebte. Julian dagegen hatte es irgendwie geschafft, fast trocken zu bleiben.
    Das aber ließ sich noch ändern!
    »Du findest das komisch?«, zischte Tinsley und biss die Zähne zusammen, um nicht loszulachen. »Du hältst dich wohl für superschlau?« Dann stürzte sie sich auf ihn, schlang die triefenden Arme um seine Hüften und rieb ihren nassen Kopf an seiner Brust. Es war prickelnd, ihm so nahe zu sein. Es war ungefähr so, wie in Kindertagen mit einem Jungen zu balgen. Das war auch irgendwie aufregend gewesen, obwohl man nicht so recht gewusst hatte, warum.
    Dieser Gedanke erinnerte Tinsley nur dummerweise daran, dass Julian tatsächlich noch fast ein Kind war. Er war in der Neunten. Er war also… vierzehn ? Vielleicht fünfzehn? Tinsley erschauerte, aber diesmal nicht vom kalten Wasser. Allmächtiger. Ein junger Neuntklässler. Das hieß, er hatte Alte und Mittelalterliche Geschichte bei Mr DeWitt. Es war der einzige Kurs gewesen, in dem sich Tinsley doch tatsächlich überlegt hatte, sich mit dem Stift ins Auge zu stechen, um dem Unterricht zu entkommen. Neuntklässer in den männlichen Sportmannschaften wurden gezwungen, lächerliche Proben zu bestehen; sie mussten rosa Unterwäsche oder Hüfthalter unter den Klamotten tragen; sie mussten sich einmal die Woche mit ihren Vertrauenslehrern treffen, um schulorientierte »Erfolgsstrategien« zu besprechen, wie Marymount es nannte; in der Cafeteria durften sich Schüler aus den höheren Klassen in der Warteschlange vor sie drängen – oder taten es zumindest.

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