Wild und gefaehrlich
Grundgütiger!
23 Ein Waverly-Schüler beurteilt niemanden nach seinen Schuhen
Brandon war angewidert. Schon als sich Tinsley und Julian ungeniert aneinander heranmachten, war ihm speiübel geworden, aber als die beiden dann noch diese Wasserschlacht, diesen affigen Wettbewerb um das nasseste T-Shirt begannen, da war für ihn das Maß des Erträglichen voll. Er stürmte aus dem Mädchenwaschraum und ärgerte sich, wie er wieder einmal jemanden so schrecklich falsch hatte einschätzen können. Was hatte Tinsley an sich, dass alle Welt stets bereit war, über ihre offenkundigen Fehler hinwegzusehen? War es, weil sie schön war? Es gab viele Mädchen in Waverly, die hübscher waren als Tinsley. Okay, viele vielleicht nicht. Aber ein paar. Zumindest Callie. Aber nur Tinsley hatte so ergebene Anhänger. Selbst Lehrer, und nicht nur solche windigen Typen wie Eric Dalton, schienen vor ihr zu kuschen. Warum? Wegen ihren unheimlichen violetten Augen, die etwas von einem Röntgenblick hatten, als könnten sie anderen Leuten bis in ihr Innerstes sehen? Vielleicht war sie eine Mutantin. Sein comicversessener Mitbewohner schien jedenfalls zu glauben, dass sie übersexuelle Fähigkeiten besaß.
»Huch!«, japste Brandon und fiel fast über die eigenen Füße. Vor ihm stand eine hübsche junge Fremde in einer schwarzen Lederjacke und einem engen grauen Wollrock, der ihr fast bis auf die braunen Børn-Clogs reichte. Ihre schwarze Katzenaugenbrille, durch die sie Brandon fragend ansah, saß ihr fast vorne auf der Nasenspitze, was auf Brandon durchaus sexy wirkte. Hoppala. »Ich war... äh... gerade...«
»Auf der Toilette?« Ihr Gesicht verzog sich zu einem amüsierten Grinsen. Beim näheren Hinsehen wurde offenbar, dass es sich um einen Teenager handelte, nicht um eine Lehrerin, wie er zuerst befürchtet hatte. Ihr Gesicht war eindeutig zu jung, und außerdem trug sie einen ringförmigen Silberohrring, der kess oben auf ihrem rechten Ohr saß, was für eine seriöse Waverly-Lehrkraft sicher nicht anging. Brandon nahm ihre ausgeprägten Züge in sich auf. Sie besaß die Art von schlanker Nase und theatralischen Wangenknochen, die vor der Kamera wirkte, und Brandon überlegte, ob sie vielleicht mal in einer Gucci-Werbung für Brillen zu sehen gewesen war, denn sie kam ihm etwas vertraut vor, da riss ihre Stimme ihn aus den Gedanken. »Pinkeln gehen ist ja schließlich nicht verboten.«
»Hu? Äh, ja, natürlich...« Brandon versuchte, sich zu sammeln. »Ich gehe wohl recht in der Annahme, dass du keine Lehrerin bist?«
»Endlich ist der Groschen gefallen, Einstein.« Sie warf den Kopf zurück, und Brandon fiel auf, dass ihr Haar blond-dunkelbraun gestreift war. Vielleicht spielte sie in einer Mädchen-Band, dachte Brandon. So sah sie zumindest aus. Heiß. Børn-Clogs waren zwar sonst nicht unbedingt Brandons Ding (ein bisschen zu sehr Müsli), aber an ihr wirkten sie echt cool und rockig.
Vielleicht waren es auch ihre dunkelbraunen Augen, die ihn ins Visier genommen hatten und ihn verzauberten? Auf jeden Fall war sie keine Waverly-Eule.
Er hüstelte. »Und warum bist du hier?«
Das Mädchen spitzte die Lippen. Unter ihrem linken Auge saß ein kleines Muttermal. Verrückterweise konnte Brandon sich nicht davon losreißen. Es zog seinen Blick an wie ein Magnet. »Ich suche jemanden«, sagte sie mit einem Achselzucken. »Du hast nicht zufällig Jeremiah Mortimer gesehen?« Sie errötete leicht.
Interessant. Jeremiah ging nicht einmal auf diese Schule und dennoch verfolgten ihn seine Fans bis hierher? Autsch, wenn Brett das rausfand! Es hieß, dass Jeremiah die Party in St. Lucius sausen ließ, um sich in Dumbarton mit ihr eine schöne Zeit zu machen. Und da war Brett bestimmt nicht begeistert, ihn mit jemand teilen zu müssen.
Schon gar nicht mit so einer heißen Frau.
»Ich hab gehört, dass er da ist, aber... gesehen hab ich ihn noch nicht«, antwortete Brandon. Was auch stimmte. Normalerweise hätte er sich geärgert, dass so eine Frau ihn nach einem anderen Typen ausquetschte, aber in diesem Fall war er sich ziemlich sicher, dass sie auch mit ihm flirtete. Er lehnte sich an die pfirsichfarbene Wand und starrte zu einem Wasserfleck an der abblätternden Decke hoch. Aus dem Waschraum hörte man Gekicher, aber Brandon achtete nicht darauf. »Du bist von St. Lucius?«
Das Mädchen nickte und blickte den leeren Gang entlang. Sie trommelte mit den langen, unlackierten Nägeln an den dunklen Türrahmen des Waschraums. »Sind
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