Wilde Chrysantheme
widerspiegelten. Offensichtlich fragte sie sich, was er als Gegenleistung dafür verlangte.
»Das habe ich nicht vergessen«, verneinte sie vorsichtig. »Aber warum so ein prachtvolles Tier? Ich habe doch nichts getan, womit ich das verdient hätte, oder?«
»Ach, ich weiß nicht«, meinte er gelassen. »Mir fallen da so gewisse Dinge ein,
Mignonne
, die mir grenzenloses Vergnügen bereitet haben.« In seinen Augen schimmerte ein verführerisches Lächeln, das keinen Zweifel an dem aufkommen ließ, was er meinte, und Juliana spürte ihre Wangen erglühen. Sie warf einen verlegenen Seitenblick auf Quentin, der höchst intensiv in den Anblick einer Ligusterhecke vertieft zu sein schien.
Juliana kaute unschlüssig auf ihrer Unterlippe; dann zuckte sie die Achseln und trat erneut auf die Stute zu. Sie beschloß, sich nicht die Freude an dem kostbaren Geschöpf verderben zu lassen, indem sie sich Sorgen darüber machte, ob gewisse Bedingungen daran geknüpft waren. Wenn das der Fall sein sollte, dann würde sie sie ignorieren. Sie legte beide Hände um den Kopf der Stute und blies sanft in ihre Nüstern. »Sei gegrüßt, du Hübsche.«
Wieder war Tarquin entzückt von ihrer aufrichtigen Freude. Ihre Begeisterung über sein Geschenk erfüllte ihn mit tiefer Zufriedenheit die im Moment nichts mit seiner Absicht zu tun hatte, sie auch in Zukunft so zu erfreuen und so zu beschäftigen, daß sie weder die Zeit noch die Lust haben würde, ihm weitere Schwierigkeiten zu bereiten.
Quentin verstand des Glück seines Bruders. Man könnte keine zwei Frauen finden, die verschiedener voneinander wären als Lydia Melton und Juliana Courtney, dachte er. Die eine so ruhig und zurückhaltend, mit der blassen Würde einer Kamee. Die andere ein turbulentes, wildes Geschöpf, beherrscht von Leidenschaft. Bei dem Vergleich durchzuckte ihn ein vertrauter Stich von Schmerz, wie er ihn jedesmal empfand beim Gedanken an Lydia… wenn er daran dachte, wie qualvoll ungerecht es war, daß Tarquin sie haben sollte und gar nicht wirklich wollte – wobei er selbst leer ausgehen würde, dazu verdammt, zuzuschauen, während sich sein Herz vor Kummer und Liebe verzehrte. Aber er musste sich Gottes Willen beugen. Gegen die Pläne des Allmächtigen zu rebellieren geziemte sich nicht für einen Geistlichen.
»Wie werden Sie sie nennen?« fragte Quentin laut.
Juliana tätschelte den seidigen, muskulösen Hals des Tieres. »Boadicea.«
»Warum denn das, um Himmels willen?« Tarquins Brauen schössen in die Höhe, bis sie fast seinen Haaransatz berührten.
»Weil sie eine starke, mächtige Frau war, die den Mut hatte, das zu tun, woran sie glaubte.« Julianas Lächeln war spitzbübisch, aber ihre jadegrünen Augen trübte ein Schatten. »Ein Vorbild für uns alle, Sir.«
Tarquin lächelte mit resignierter Belustigung und wies auf den Mann, der die Pferde hielt.
»Dies ist Ted, Juliana. Er ist dein Pferdeknecht und wird dich begleiten, wo immer du auch hingehst.«
Juliana machte ein verdutztes Gesicht. Der Mann trug ein Lederwams und Reithosen statt einer Livree. Er hatte eine gebrochene Nase, und sein Gesicht wies die leicht schiefen, ramponierten Züge eines Menschen auf, der im Laufe der Jahre mit einer ganzen Reihe von harten Gegenständen in Berührung gekommen war. Die große, breite Gestalt wirkte mächtig, aber Juliana hatte den Eindruck, daß seine Körperfülle nicht aus Fett, sondern aus Muskeln bestand. Seine Hände waren gewaltige Pranken, mit haarigen Knöcheln und gespreizten Fingern.
Er begrüßte sie mit einem mürrischen Kopfnicken, wobei keinerlei Lächeln seinen harten Ausdruck milderte, keinerlei Andeutung von Humor oder Freude in seinen Augen aufblitzte.
»Überallhin?« fragte sie gepresst.
»Überallhin«, wiederholte Tarquin unnachgiebig.
»Aber ich brauche keinen Leibwächter«, protestierte sie, entsetzt über die Auswirkungen, die eine solche Beschränkung haben würde.
»O doch, den brauchst du«, erklärte Tarquin. »Da ich mich nicht darauf verlassen kann, daß du vernünftige Vorsichtsmaßnahmen ergreifst, muß es eben jemand anderer für dich tun.« Er streckte die Hand aus und umfing ihr Kinn leicht mit seiner Handfläche. »Kein Ted, kein Pferd, Juliana!«
Es schien ganz so, als wüßte er von ihrer Exkursion in die Russell Street. Juliana seufzte. »Wie sind Sie dahintergekommen? Ich dachte, Sie wären erst nach mir zurückgekehrt.«
»Unter meinem Dach geht nur sehr wenig vor, wovon ich keine Kenntnis
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