Wilde Chrysantheme
wieder derart nüchtern und sachlich gab. Ihre Vorstellungen von der männlichen Anatomie waren zwar relativ verschwommen, aber eine solche Manifestation konnte man wohl kaum kaltblütig ignorieren.
Sie zuckte zusammen, als sich seine Hand leicht auf ihre Schulter legte. Erschrocken wirbelte sie herum und sah, daß der Lakai sich inzwischen entfernt hatte.
»Mignonne,
Sie sind bezaubernd.« Er liebkoste ihre Lippen mit seinem Zeigefinger. »Ich glaube wirklich, daß wir uns prächtig amüsieren werden.«
»Nein!« rief sie aufgebracht, als sie endlich ihre Stimme wiederfand. »Nein. Ich werde nicht zulassen, daß Sie mir das antun!« Sie riß sich von ihm los und wich hastig zurück, in genau dem Moment, als die Tür ohne Förmlichkeit aufging.
»Der Lakai hat gesagt, ich würde dich hier antreffen, Tarquin. Ich wollte… Oh! Ich bitte um Entschuldigung.« Quentins Blick schweifte über Juliana in einer einzigen schnellen Erfassung der Lage. »Ich wußte ja nicht, daß du Besuch hast«, sagte er ruhig. »Catlett hätte mir doch sagen können, daß du beschäftigt bist.«
»Erlaube mir, dir die Dame vorzustellen – Miss Juliana Beresford, wie sie sich zu nennen beliebt.« Tarquin ergriff Julianas Hand und zog sie vorwärts. »Juliana, dies ist mein Halbbruder, Lord Quentin Courtney, Sie werden sicher bald Gelegenheit haben, ihn besser kennenzulernen.«
Juliana war einen Moment lang zu verlegen und verwirrt, um mehr zu tun, als den Neuankömmling anzustarren. Dann wurde ihr bewußt, daß er sich verbeugte, und sie versank in einen hastigen Knicks. »Guten Tag, Mylord.«
Quentin musterte sie ernst, und sie fühlte, wie sich die Röte ihrer Wangen noch vertiefte. Sie fragte sich voller Unbehagen, ob ihre Lippen von dem leidenschaftlichen Kuß des Herzogs gezeichnet waren, ob dieser Mann möglicherweise irgend etwas an ihr entdecken konnte, etwas, das die schamlose Erregung verraten würde, die weiterhin in ihrem Inneren pulsierte. Hatte sie so etwas wie eine Aura um sich? Vielleicht einen gewissen Geruch? Sie wandte sich ab, unfähig, seinen prüfenden Blick noch länger zu ertragen.
»Ist es schicklich, das arme Kind ohne Anstandsdame hierherzubringen, Tarquin?« In Quentins Stimme schwang scharfe Mißbilligung mit. »Wenn sie auf der Straße mit dir gesehen wurde, wird ihr Ruf kompromittiert sein.«
Julianas Gedanken überschlugen sich, als ein Hoffnungsschimmer in ihr aufkeimte. Wer weiß, vielleicht hatte sie in dieser verrückten Welt ja jemanden gefunden, der für sie eintreten würde. »Mylord, Seine Gnaden glaubt nicht, daß ich einen Ruf habe, den man kompromittieren könnte«, sagte sie mit leiser, wehleidiger Stimme. Langsam drehte sie sich um und hob ihre Augen zu dem nüchtern gekleideten Mann, wobei ihr zum ersten Mal die starke Ähnlichkeit zwischen ihm und dem Herzog auffiel. »Sind Sie vielleicht ein geistlicher Herr?« fragte sie, als sie seinen dunklen, schlicht geschnittenen Überrock und das einfache gestärkte Halstuch musterte.
»Richtig, mein Kind.« Quentin machte einen Schritt auf sie zu, doch plötzlich warf sie sich ihm zu Füßen und umklammerte mit einem heftigen Aufschluchzen seine Knie.
»Oh, Sir, retten Sie mich! Bitte, ich flehe Sie an, lassen Sie nicht zu, daß der Herzog die gottlosen Dinge tut, die er mit mir vorhat.« Sie ignorierte den seltsamen, erstickten Laut, den der Herzog von sich gab, und brach in hilfloses Schluchzen aus.
»Nun, nun, Liebes! Beruhigen Sie sich, ich bitte Sie. Bitte machen Sie sich keine Sorgen.« Quentin beugte sich vor, um Juliana auf die Füße zu helfen. »Tarquin, diese Sache muß sofort ein Ende haben! Ich werde nicht erlauben, daß das noch einen Tag so weitergeht!« Er streichelte beruhigend Julianas Kopf und reichte ihr ein Taschentuch. »Hier, trocknen Sie sich die Augen, Fräuleinchen. Sie haben in diesem Haus wirklich nichts zu befürchten.«
Juliana nahm das Taschentuch mit einem gemurmelten Dank und vergrub ihr Gesicht in den gestärkten Falten. Jeder Muskel in ihrem Körper war angespannt, während sie atemlos auf die Reaktion des Herzogs lauschte.
»Tarquin?« sagte Quentin streng. »Du mußt sie gehen lassen.«
»Gewiß doch.«
Bei diesen Worten hob Juliana mit einem Ruck den Kopf. Sie bedauerte ihr vorschnelles Verhalten augenblicklich, als der Herzog ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger nahm, und ihr Gesicht zu sich herumdrehte. »Das war wirklich eine beeindruckende Darbietung,
Mignonne.
Meinen Glückwunsch zu deinem
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