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Wilde Chrysantheme

Wilde Chrysantheme

Titel: Wilde Chrysantheme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Feather
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zur Öffnung um fünf Uhr, damit er noch einen anständigen Platz im Parkett bekam.
    Voller Stolz betrachtete er die Silberspitze an der Krempe seines nagelneuen Zylinders, bevor er sich ihn sorgsam auf den Kopf setzte, um sicherzugehen, daß die gelockten Seitenpartien seiner gepuderten Perücke nicht zerzaust wurden. Er klopfte mit dem Handballen auf sein Schwertheft und blickte sich gebieterisch um, als ob er vorhätte, sich mit einem der Passanten anzulegen. Ein schäbig gekleideter Gentleman mit schiefsitzendem, ziemlich schütteren Haarersatz wechselte hastig auf die andere Straßenseite, als er George in kampflustiger Haltung auf dem Trottoir stehen sah. London war voller aggressiver, feingekleideter junger Männer, die es als einen vergnüglichen Sport betrachteten, wehrlose Fußgänger zu schikanieren.
    George starrte den Mann hochmütig an und schnippte einen Tabakkrümel vom Ärmelaufschlag seines Gehrocks. Auf dem Land trug er gewöhnlich kein Schwert bei sich, doch er hatte augenblicklich erkannt, daß es in der Stadt als das Markenzeichen eines Gentlemans galt. Seine derzeitige Waffe hatte er bei einem Waffenschmied in der Ebury Street gekauft, nachdem ihm der tüchtige Mann versichert hatte, daß es keine bloße Dekoration war – sondern in den Händen eines geschickten Kämpfers, wie es Seine Ehren unzweifelhaft sein müsse, eine todsichere Waffe darstelle und einen mächtigen Schutz.
    Mit einem kleinen Nicken der Befriedigung schlenderte George weiter in Richtung »Black Lion«. Nachdem er von den Vergnügungen Londons gekostet hatte, war er zu dem Entschluß gekommen, von nun an jedes Jahr einige Wochen in der Großstadt zu verbringen – im Winter natürlich, wenn er sich nicht unermüdlich um seine Ländereien kümmern musste.
    Juliana würde eine mehr als passende Gattin für ihn abgeben. Sie war im Haus eines Gentlemans aufgewachsen, hatte eine ausgezeichnete Erziehung genossen und war in all jenen Fertigkeiten unterrichtet worden, die eine Lady zu beherrschen hatte. Sie wußte, wie man sich in den feinsten Kreisen benahm … wesentlich besser als er selbst, wie George sich eingestehen musste. George war der Sohn seines Vaters: der Sohn eines derben, eher ungebildeten Gutsbesitzers, der mehr an seiner Ernte und seinen Wäldern, an seinem Sport, seinem Dinner und der Flasche interessiert war als an Büchern, Musik oder höflicher Konversation. Juliana dagegen würde ihm zur Zierde gereichen.
    Aber wo, in drei Teufels Namen, steckte sie? Georges Selbstzufriedenheit und seine Freude an dem Tag lösten sich plötzlich in nichts auf. Es war ja alles gut und schön, solch verlockende Pläne zu schmieden, aber um sie in die Tat umzusetzen, brauchte er das Mädchen in Fleisch und Blut, sonst blieben sie ewig Luftschlösser. Er
musste
es einfach zur Ehefrau bekommen und wollte es in seinem Bett haben. Es täte gut zu sehen, wie die Überheblichkeit und die Verachtung aus seinen Augen schwand, wenn es ihn als seinen Gemahl und Herrn anerkannte.
    Juliana mit den grünen Augen, die ihn manchmal so kalt wie der tiefste Ozean gemustert hatten; Juliana mit den vollen, sinnlichen Lippen, die sich zu einem höhnischen Lächeln verziehen konnten, das einen Mann zu einem Häufchen Elend zusammenschrumpfen ließ; Juliana mit der üppigen Mähne feuerroter Locken und den langen Gliedern und den festen, stolz hervorstehenden Brüsten.
    Jene Juliana würde die Seine, gehorsam und unterwürfig in seinem Haus und Bett. Andernfalls wollte er dafür sorgen, daß sie auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde.
    George betrat den »Black Lion« und bestellte eine Flasche Burgunder. Er
würde
sie finden, und wenn er hundert Guineen dafür bezahlen müßte.
    Juliana ist plötzlich in einer ganz anderen Stimmung, dachte Quentin, als die drei beim Dinner saßen. Zu den früheren Gelegenheiten, die er in ihrer Gesellschaft verbracht hatte, war sie sichtlich bedrückt gewesen und noch an diesem Morgen von bitterem Groll erfüllt. Aber jetzt glichen ihre Augen leuchtenden Juwelen, und ihre blasse Haut hatte einen rosigen Schimmer, der von innen heraus zu kommen schien. Sie wirkte heiter und gelöst, sprudelte über vor Lebhaftigkeit und Gelächter und gab schlagfertige Antworten, die von Witz und Intelligenz zeugten. Sie forderte Tarquin mit schelmischen Bemerkungen heraus und warf ihm gelegentlich einen flammenden Blick zu, der den Herzog jedesmal zum Lächeln brachte.
    Quentin war trotz seiner geistlichen Berufung weder prüde noch

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