Wilde Chrysantheme
Ihren privaten Salon geführt, Madam.«
Juliana wandte sich erstaunt zu ihm um. »Besuch? Wer?«
»Drei junge Damen, Madam. Miss Emma, Miss Lilly und Miss Rosamund. Ich dachte, sie würden sich in Ihrem Salon möglicherweise wohler fühlen.« Seine Miene blieb völlig ausdruckslos.
Hatte Catlett erraten, daß die Damen aus der Russell Street einer etwas anderen Schicht als Lady Melton und ihre Tochter angehörten? Oder war er davon ausgegangen, daß sie ihre eigenen Freunde lieber bei sich empfangen würde?
»Entschuldigen Sie mich, Mylord.« Mit einem Lächeln und einem höflichen Knicks verließ Juliana den Herzog und lief flink die Treppe hinauf in ihre Privaträume.
Tarquin blickte ihr einen Moment lang mit hochgezogenen Brauen nach, dann zuckte er die Achseln. Die einzige Frau, mit der er bisher zusammengelebt hatte, war seine Mutter gewesen. Offenbar hatte er noch einiges zu lernen in seinem Umgang mit dem schönen Geschlecht – und es schien, als würde Juliana Courtney, Viscountess Edgecombe, für die nötige Unterweisung sorgen. Gedankenverloren fragte er sich, warum ihn diese Aussicht nicht übermäßig ärgerte.
Juliana eilte zu ihrem Salon hinauf, leicht verwundert darüber, wie sehr sie sich freute, ihre Freundinnen aus der Russell Street wiederzusehen. Sie hatte nicht viel Zeit gehabt, um die Mädchen näher kennenzulernen, aber selbst das kurze Zusammenleben unter einem Dach mit ihnen hatte die Art von ungezwungener Kameradschaft gefördert, die bei der Teilnahme an gemeinsamen Freuden und Sorgen entstand.
»Was für ein unglaublich eleganter Salon, Juliana!« rief Rosamund, als Juliana über die Schwelle trat.
»Junge, Junge, ich muß schon sagen, das ganze Haus ist große Klasse.« Lilly schwebte durch das Zimmer, um Juliana zu umarmen. »Du bist wirklich ein Glückspilz, Mädchen. Und erst dein Kleid! So hübsch! Dazu echte Silberschnallen auf deinen Schuhen, darauf gehe ich jede Wette ein.« Sie begutachtete fachmännisch jedes Detail an Julianas Kleidung.
»Ich schwöre, ich sterbe noch vor Neid«, lamentierte Emma, während sie sich heftig Luft zufächelte. »Es sei denn natürlich, es ist irgend etwas Unerfreuliches mit im Spiel.« Ihre Augen nahmen einen scharfen Ausdruck an, als sie Juliana über den Rand des Fächers hinweg ansah. »Auf irgendeine Weise mußt du doch für all das hier bezahlen?«
»Ja, erzähl uns alles darüber.« Rosamund hakte Juliana unter und zog sie auf das Sofa neben sich. »Du kannst es uns wirklich sagen, wenn du etwas auf dem Herzen hast.«
Juliana war stark in Versuchung, den Mädchen die ganze Geschichte anzuvertrauen, als sie um sie herumsaßen und sie in einer Mischung aus kompliziertem Mitgefühl und wachsamer Neugier anstarrten. Doch sie besann sich sofort wieder und verdrängte den gefährlichen Impuls. Sie musste wirklich lernen, ihre Geheimnisse besser zu hüten als bisher. Wenn sie damals in jenem einen schwachen Moment nicht ihrem Bedürfnis nach Trost und Zuwendung nachgegeben hätte und Mistress Dennison ihre Geschichte gebeichtet hätte, wäre sie jetzt nicht in diese unmöglichen Machenschaften verstrickt.
»Da gibt es nicht viel zu berichten«, sagte sie. »Es ist genauso, wie ihr es seht. Gestern bin ich mit dem Viscount Edgecombe verheiratet worden, und er und ich leben beide unter dem Dach des Herzogs von Redmayne.«
»Der Herzog hat dich also nicht für sich selbst gekauft?« fragte Emma beharrlich und beugte sich vor, um einen prüfenden Blick in Julianas Gesicht zu werfen.
»Nun ja, in gewisser Weise schon«, erwiderte Juliana vorsichtig.
»Also sind er und der Viscount beide deine Liebhaber.« Lilly strich ihre Seidenhandschuhe über ihren Fingern glatt, während ihre haselnußbraunen Augen Juliana scharf musterten.
»Nicht direkt.«
»Himmel noch mal, Juliana, nun mach es uns bitte nicht so schwer!« rief Emma. »Wir wollen doch nur wissen, wie du es geschafft hast, einen solchen Glückstreffer zu landen. Es ist nichts Merkwürdiges daran, wenn sich zwei Männer eine Frau teilen… besonders wenn sie dir dafür finanzielle Grundlagen und solche Dinge bieten. Du bist doch abgesichert, oder?«
»Absolut.« Juliana entschied sich einfach dafür, sie in dem Glauben zu lassen, daß sie sowohl mit dem Herzog als auch mit dessen jungem Cousin zusammenlebte. Es war ohnehin nicht völlig aus der Luft gegriffen. »Ich bin gut versorgt, und vielleicht könnte man wirklich sagen, daß ich beiden gehöre, dem Herzog und dem Viscount.«
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