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Wilde Flammen

Wilde Flammen

Titel: Wilde Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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wieder in Ruhe nachdenken kannst. Beim ersten Mal ist immer viel zu verarbeiten. Dann los, du kennst den Befehl. Sag ihm, er soll sich aufsetzen.«
    Â»Ich?«
    Jo trat beiseite, sodass Merlin freie Sicht auf Gerry hatte. »Du kannst Angst haben, so viel du willst. Du darfst es ihn nur nicht spüren lassen. Sorge dafür, dass deine Stimme fest und entschlossen klingt. Und sieh ihm direkt in die Augen.«
    Gerry rieb sich die feuchten Handflächen an der Jeans, dann hob er den Arm, wie er es Hunderte von Malen bei Jo gesehen hatte. »Hoch!«, befahl er dem Löwen.
    Merlin starrte Gerry unentwegt an, blinzelte einmal, sah dann zu Jo. Der Blick in den goldenen Augen besagte deutlich, was er dachte. Das da war ein Amateur und damit weit unter seiner Würde.
    Jo achtete darauf, ihre Miene absolut ausdruckslos zu halten. »Er stellt dich auf die Probe«, sagte sie zu Gerry. »Du darfst nicht vergessen, Merlin ist im Showgeschäft schon ein alter Hase und nicht so einfach zu beeindrucken. Sei entschieden, benutze seinen Namen.«
    Gerry holte tief Luft und wiederholte das Handzeichen. »Hoch, Merlin!«, sagte er fester.
    Der Löwe starrte ihn nur an und rührte sich nicht.
    Â»Noch einmal.« Jo hörte Gerry schlucken. »Du musst mehr Autorität in deine Stimme legen. Er hält dich für einen Witz.«
    Â»Hoch, Merlin!« Jos Beschreibung ärgerte Gerry immerhin genug, dass das Kommando fest und entschlossen klang. Merlins Reaktion kam unwillig und zögerlich, aber sie kam. Langsam, ganz langsam hob die große Raubkatze die Pranken. »Er macht es«, flüsterte Gerry. »Er macht es tatsächlich!«
    Â»Sehr gut.« Jo war mit beiden zufrieden, mit ihrem Schüler und dem Löwen. »Jetzt lass ihn sich wieder setzen.«
    Auch das klappte, und als Nächstes befahl Gerry dem Löwen, auf den Boden zu springen.
    Â»Hier.« Jo reichte Gerry die Peitsche. »Jetzt musst du ihn loben. Er erwartet, dass er jetzt gestreichelt wird. Am liebsten wird er übrigens hinter dem Ohr gekrault.« Sie spürte das leichte Zittern, als Gerry ihr die Peitsche aus der Hand nahm, doch der Junge hielt sich gut, selbst als Merlin die Mähne schüttelte und ein Brüllen hören ließ.
    Da er sich so gut benommen hatte, erlaubte Jo dem Löwen, sich an ihren Beinen zu reiben, bevor sie Buck zurief, den Käfiggang zu öffnen. Das Rasseln der Gitter war Zeichen genug für Merlin: Gehorsam trottete er mit hoch erhobenem Kopf in den Gang hinein.
    Â»Du hast dich wirklich gut gehalten«, lobte sie Gerry, als sie wieder allein waren.
    Â»Es war toll!« Mit leuchtenden Augen reichte er Jo die Peitsche zurück. Der Stock war feucht vom Schweiß seiner Handfläche. »Wann wiederholen wir das?«
    Lächelnd klopfte sie ihm auf die Schulter. »Bald«, versprach sie. »Behalte nur alles im Kopf, was ich dir erklärt habe. Und wenn dir die hundert Fragen wieder einfallen, dann komm zu mir.«
    Â»Klar. Danke, Jo.« Er trat in die Käfigtür. »Vielen Dank. Das muss ich jetzt unbedingt den anderen Jungs erzählen.«
    Â»Ja, mach nur.« Sie sah ihm nach, wie er über die Manegenabgrenzung sprang und davonspurtete. Grinsend lehnte sie sich mit dem Rücken an die Gitterstäbe und blickte zu Buck hinüber, der auf der anderen Käfigseite stand. »War ich auch so?«, fragte sie lächelnd.
    Â»Als es dir das erste Mal gelang, einen Löwen zum Aufrichten zu bringen, musste der gesamte Zirkus sich das eine Woche lang anhören. Ganze zwölf Jahre warst du alt. Und felsenfest davon überzeugt, bereit für die Manege zu sein.«
    Lachend wandte Jo sich um. Doch im nächsten Moment schwand das Lächeln von ihrem Gesicht, und sie holte tief Luft.
    Er stand direkt vor ihr.
    Â»Keane!«, rief sie den Namen aus, von dem sie sich geschworen hatte, ihn nie wieder in den Mund zu nehmen. Krampfhaft umklammerte sie den Griff der Peitsche, um nicht die Hände nach ihm auszustrecken. »Ich wusste nicht, dass du wieder zurück bist.«
    Â»Man könnte glatt den Eindruck bekommen, ich hätte dir gefehlt.« Seine Stimme klang genau so, wie Jo sie in Erinnerung hatte – tief und samten.
    In Gedanken verfluchte sie sich dafür, so leicht zu durchschauen zu sein. »Schon möglich, ein wenig vielleicht«, gab sie unwillig zu. »Wahrscheinlich habe ich mich einfach nur an dich gewöhnt.

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